Hoch über der Straße scheint die Übersicht ja eigentlich eindeutig. Doch das täuscht. Zumindest was die Fahrerplätze von Landmaschinen angeht.
Ich weiß, zumindest ein kleines bisschen, wovon ich spreche: Schließlich hab ich selbst vor kurzem ein paar Runden auf einem 625-PS-starken Feldhäcksler gedreht. Ja, nur auf dem abgesperrten Betriebsgelände von Landmaschinen Greving – aber für einen Eindruck hat es gereicht: Die Ausmaße sind riesig und unübersichtlich. Besonders beim Rückwärtsfahren. Und dabei habe ich nicht einmal mit Autos oder Radfahrern zu kämpfen. Ich kann mir kaum vorstellen, wie ich mich auf öffentlichen Straßen schlagen würde.
Landmaschinen sind größer, stärker und schneller als je zuvor. Tonnenschwer nehmen sie die ganze Breite eines Wirtschaftsweges ein. Am Steuer sitzen oft 16-Jährige, die sonst gerade einmal einen Roller fahren dürfen. Ein Widerspruch?
Fahrschüler bereits geübt
Für Fahrlehrer Guido Franke nicht. Häufig sind seine Fahrschüler erst 15 oder 16 Jahre alt, wenn sie mit dem Traktor-Führerschein beginnen. Ein Großteil sitzt schon lange vor der ersten Fahrstunde hinterm Steuer. Natürlich nur auf dem eigenen Hof.
Denn oft sind es die Kinder von Landwirten oder Lohnunternehmern, die bei ihm in die Fahrschule kommen. Und die fahren natürlich lange vorher schon auf dem eigenen Betrieb. „Die wachsen damit auf“, sagt der Ahauser Fahrlehrer Guido Franke.
Was ihnen noch fehlt, ist die Erfahrung außerhalb des eigenen Hofs: Straßenverkehrsregeln, das richtige Verhalten, Blicke in Spiegel und über Schultern, Tempolimits, Abstände, Bremswege, der Umgang mit anderen Verkehrsteilnehmern. „Ich bringe meinen Schülern dann bei, wie man im Stadtverkehr fährt“, sagt Guido Franke.
Neben erster Fahrerfahrung bringen junge Fahrer auch Pflichtbewusstsein mit. Besonders, weil sie eben mit den großen Maschinen aufwachsen. „Die wachsen auch mit der Gefahr vom Traktor auf“, sagt er.
Das Problem sieht Guido Franke bei Größe, Gewicht und Tempo der Maschinen. Vor 40 Jahren waren Maschinen eben deutlich kleiner, leichter und langsamer: Bei Kollisionen blieb es oft beim Blechschaden. „Wenn den Leuten heute was passiert, endet das mit schweren Verletzungen oder sogar tödlich.“
Landmaschinen im Straßenverkehr
Dass die Maschinen für Wirtschaftswege eigentlich zu groß sind, stellt Guido Franke immer wieder während der Fahrstunden fest. Die Wege sind meist nicht breiter als drei Meter. Die Maschinen nur wenig schmaler. Schwierig, dass andere Verkehrsteilnehmer neben den Landmaschinen Platz finden.
Umso wichtiger sei es, Rücksicht zu nehmen. Und vorausschauend zu fahren. Die Maschinen und ihre Wucht nicht zu unterschätzen.

Das bestätigt auch Dominik Selhorst, Verkaufsleiter bei Landmaschinen Greving. „So eine Maschine ist erstmal eine riesige Wand, die auf andere Verkehrsteilnehmer zufährt.“ Deswegen müssen die Fahrerinnen und Fahrer vorsichtig und aufmerksam sein.
Niedrige Unfallzahlen
Auch, wenn diese Landmaschinen manchmal für Ausnahmesituationen auf den Straßen sorgen. Dominik Selhorst setzt auf Verständnis von beiden Seiten. „Diese riesigen Maschinen sind nicht das ganze Jahr unterwegs, sondern nur zur Erntezeit im Sommer und im Herbst“, sagt er. Die Lösung: mehr Miteinander.
Dass das eigentlich ganz gut funktioniert, zeigt ein Blick auf die Unfallzahlen. Gerade einmal zwei Verkehrsunfälle unter Beteiligung landwirtschaftlicher Maschinen gab es in Ahaus bis September 2024. Im Kreis Borken waren es 18. Auch 2023 kam es nur zu zwei Unfällen mit Landmaschinen in Ahaus. Im Kreis zu 17.
Radfahrer sind andere Frage
Problematischer sieht es rund um Radfahrer aus. Keine neue Erkenntnis: Die Kampagne „Rücksicht macht Wege breit!“ des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV) will seit Jahren das Verhältnis zwischen Radfahrern, Fußgängern und der Landwirtschaft auf Wirtschaftswegen entschärfen. Auch im Westmünsterland.
Die Straßenverkehrsordnung sieht vor, dass Fahrzeuge außerorts mit zwei Metern Abstand an Radfahrern vorbeifahren. Ein Blick auf die Wirtschaftswege und Landmaschinen zeigt: Das ist selten möglich. Stattdessen werden Fußgänger und Fahrradfahrer gebeten, auszuweichen und Platz zu machen. Auch hier das Stichwort: Verständnis. Und Rücksichtnahme.

Doch genau daran mangele es oft, sagt Guido Franke: „Viele Radfahrer geben nicht nach und wollen keinen Platz für die Maschinen machen.“ Bei aller Rücksicht: „Als Radfahrer muss man sich auch der Gefahr bewusst sein: Wenn da was passiert, bin ich schwer verletzt oder tot.“
Auch der Wessumer Lohnunternehmer Heinz Josef Kappelhoff kennt das: „Wir haben schon einen Vogel gezeigt bekommen“, sagt er. Trotzdem schärft auch er seinen Mitarbeitern ein, dass sie Rücksicht walten lassen sollen. „Der Stärkere soll sich nicht durchsetzen“, sagt er.
Umgang mit Landmaschinen
Das ist Kern der Ausbildung für alle, die Traktor-Führerscheine der Klassen L oder T machen. Weil es für sie keine Pflichtfahrstunden gibt, entscheidet der Fahrlehrer, ob und wann Schüler bereit für die Prüfung sind.
Für Guido Franke ist klar: Nur Fahrschüler, die aufpassen und sich was sagen lassen, bestehen die Prüfung.
