Als Ost und West sich trennten Herbert Beckmann schreibt über das Berlin der späten 1950er

Herbert Beckmann beschreibt das Berlin der späten 1950er in neuem Krimi
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Herbert Beckmann (62) ist in Alstätte geboren. Zum Studium ging er nach Berlin und blieb dort, wie später sein jüngerer Bruder Mani Beckmann. Beide folgen einem Gentlemen’s Agreement und äußern sich öffentlich nicht übereinander. Über sein neues Buch „Der Tote im amerikanischen Sektor“ und die schriftstellerische Arbeit berichtet er jedoch gern.

Anfang der 80er startete Beckmann sein Psychologie-Studium in Westberlin. Schon seine Diplom-Arbeit widmete er der Kriminologie und schrieb über entlassene Strafgefangene. Ein Alphabetisierungsprojekt führte ihn später in die gleiche Richtung. „Im Knast Tegel habe ich dabei ein paar Hundert Kriminelle kennengelernt“, sagt er.

„Die Schriftstellerei hat sich immer mehr durchgesetzt“, sagt er und unterstreicht: „Ohne Psychologie kann man einen modernen Roman nicht schreiben.“ Der psychologische Blick durchwirkt seinen aktuellen Kriminalroman um Ermittler Jo Sturm.

Porträt Herbert Beckmann
Herbert Beckmann (62) ist Schriftsteller und Psychologe. In einigen seiner Kriminalromane zeichnet er die Kriminalitätsgeschichte von Berlin nach, schreibt aber auch Kinderbücher, Sachbücher und Hörspiele. © Aufbau-Verlag

Autoritär in Ost und West

Jo Sturm, auch Held des Vorgängerromans „Der Amerikaner“ (2022), hat als US-Kriegsgefangener im Camp Campbell Englisch gelernt. Der Jazz-Fan geht in die Berliner Clubs, die „Badewanne“ oder die „Eierschale“. Ella Fitzgerald und Charlie Parker sind seine Welt, Jazz ist der Soundtrack des Romans. Sturm bringt amerikanische Liberalität in seine Dienststelle. Im aktuellen Buch versucht er, die mysteriösen Verbindung zwischen mehreren Morden und der Entführung einer Jugendlichen zu klären.

Ein autoritärer Geist lebt 1958 im Polizeicorps, der Sturms Arbeit wie eine zähe Masse behindert. Schon wenn er „OK“ sagt, schaut man ihn schräg an. Doch „für ihn gilt immer: Weitermachen“, sagt Beckmann. Manchmal findet er Unterstützung, von jüngeren Kollegen, Sekretärinnen oder amerikanischen Bekannten. „Was passiert innerhalb der Gruppe? Das Miteinander und Gegeneinander, das finde ich interessant“, sagt Beckmann und nennt die schwedischen Krimis um das Team von Kommissar Beck als Vorbild.

50er waren einfach dran

Die Berliner Kriminalitätsgeschichte hat der Autor schon in Romanen wie „Mark Twain unter den Linden“ berührt und das 18. und 19. Jahrhundert berührt. „Die 50er waren jetzt einfach dran“, sagt er und zur Recherche: „Berlin ist dafür eine Schatzkiste“. Er habe dafür Unterhaltungsfilme „bunt wie Bonbon-Schachteln“ geschaut, in der Staatsbibliothek recherchiert, Fotos, Postkarten und Dokumente auf dem Flohmarkt gefunden, Fragen gelöst wie „Konnte man sich genau dann im Kranzler treffen, oder wurde da gebaut.“ Er freut sich: „Wenn man im Thema ist, fliegt einem das ja zu.“

Dem RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) und seinen Live-Reportagen zu den Juni-Protesten 1953 und auch dem AFN (American Forces Network), der neueste Musik und lockere Sprüche nach Berlin und auch in die DDR sendete, setzt Beckmann im Buch ein Denkmal. „Der RIAS wirkte etwas pomadig, aber er hat auch Onkel Tobias vom RIAS produziert. Eine lebendige Sendung. Da waren Kinder immer dabei. “, sagt der Autor und „Voice of America klingt so locker und modern.“ Er liebt das Radio und hat selbst viele Hörspiele geschrieben. „Es ist ein schnelles, offenes Medium.“

Wichtig ist Beckmann Realismus und auch der Bezug zu heute. Die starke Bedrohungslage damals im Kalten Krieg, die Drohungen mit Atombomben und Gebietsübernahmen, „das ist ähnlich wie heute“.

Wie wurde damals damit umgegangen? Er nennt Willy Brandt und seine Entspannungspolitik. Der damalige Berliner Oberbürgermeister, seine Reaktion auf die Bedrohung durch Chruschtschow während der Berlin-Krise, sind für Ausgangspunkt und Teil des geschichtlichen Hintergrunds des Romans und auch die sich persönlichen Folgen, der sich verstärkenden Trennung zwischen Ost und West.

Von Herbert Beckmann

Kriminalroman

Aufbau-Verlag

400 Seiten

12 Euro