Wer unter 18 Jahre alt ist und eine Ausbildung anfangen möchte, muss zuerst zum Arzt: Der Jugendschutz schreibt eine spezielle Untersuchung vor, in der geklärt werden soll, dass dem oder der Jugendlichen durch eine Ausbildung kein Schaden droht: die Jugendarbeitsschutzuntersuchung.
Mit 23,50 Euro vergütet das Land die Untersuchung. Seit 1976 wurde dieser Satz nicht mehr verändert. Doch das reicht vorne und hinten nicht mehr. „Es ist eine der umfangreichsten Untersuchungen, die wir Kinderärzte anbieten“, sagt Dr. Benedikt Methling von der Kinderarztpraxis Ahaus. Hör- und Sehtests, Farbsehtest, die körperliche Untersuchung, Vitalwerte wie Blutdruck – er geht davon aus, dass er pro Patient rund eine halbe Stunde benötigt.

Für ihn ein ernster Zwiespalt: Auf der einen Seite die finanzielle Seite. Bei der relativ geringen Anzahl von Untersuchungen sei die natürlich nicht existenzbedrohend. Dennoch seien die Kosten für Arbeit und Material so schlicht nicht gedeckt. Auf der anderen Seite stehen für ihn die Patienten, die oft seit ihrer Geburt in die Praxis kommen und die für den Start in eine Ausbildung auf die Untersuchung angewiesen sind.
Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) habe landesweit dazu aufgerufen, die Untersuchungen so nicht mehr anzubieten. Er fordert eine auskömmliche Finanzierung.
Für Benedikt Methling und seine Kollegen in der Ahauser Praxis ist das aber keine Option. Kollegen würden das so machen. Sie schicken die Patienten weiter: zum Gesundheitsamt, zu Hausärzten, zu anderen Medizinern. „Aber das ist ja auch keine Lösung“, erklärt Benedikt Methling. Auch wenn er darin durchaus ein klares Signal sieht.
In der Praxis am Stadtwall in Ahaus gehen die Mediziner einen anderen Weg: Sie bieten die Untersuchung als sogenannte Igel-Leistung an. Diese individuelle Gesundheitsleistung zahlen die Patienten selbst. Rund 70 Euro werden dafür fällig. „Das Geld könnten sich die Familien rein theoretisch vom Land wiederholen“, sagt er. Er kenne aber keinen Fall, in dem das gelungen sei.
Passender Mittelweg
Dennoch ist das für ihn bis auf Weiteres der passende Mittelweg. Der so auch vom Qualitätszirkel der Kinder- und Jugendmediziner Coesfeld mitgegangen wird. An dem nehmen auch die Kinder- und Jugendpraxen aus dem Altkreis Ahaus teil. Nur ein paar Kilometer weiter, im Qualitätszirkel Borken, zu dem vor allem die Praxen im Südkreis zählen, lehnen die Kinder- und Jugendarztpraxen die Untersuchungen momentan komplett ab.
An der Untersuchung selbst möchte der Kinder- und Jugendmediziner auf keinen Fall rütteln. Klar, für einen Jugendlichen ohne jede Vorerkrankung, der eine Ausbildung im Büro machen will, sei das erstmal natürlich kein Problem. „Aber für jemanden mit einer Skoliose, der Zimmermann werden will, ist das schon etwas ganz anderes“, fügt er hinzu. So eine Deformierung der Wirbelsäule sei gar nicht so selten und könne schnell zu größeren Problemen führen.
Auch würde oft erst durch diese Untersuchung eine Farbfehlsichtigkeit auffallen. Die Praxis am Stadtwall in Ahaus versorgt Kinder und Jugendliche aus Ahaus, Heek, Legden und Schöppingen. Im Durchschnitt kommen auf einen Arztsitz in der Kinder- und Jugendmedizin 1200 Patienten. „Da liegen wir deutlich drüber“, sagt Benedikt Methling. Genauere Zahlen nennt er nicht.
Nur so viel: Aktuell herrsche in der Praxis kein Aufnahmestopp. Es könnten also weitere Patienten aufgenommen werden. Neugeborene oder Kinder, die nach Ahaus oder die Orte ziehen, würden ohnehin immer aufgenommen.