Gerti ist fast zurück auf dem Markt Oldtimer von Wein Miedecke wird wiederbelebt

Gerti ist fast zurück: Oldtimer von Wein Miedecke wird wiederbelebt
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Gerti hat es mit dem Herzen. Und das schon seit vergangenem August. Wasser war das Problem der Oldtimerdame. Das verbrauchte sie zuletzt, wie es sich auch in ihrem Alter bei Modellen ihres Formats einfach nicht gehört.

Ihr Therapeut verordnete ihr Ruhe. Nein, absoluten Stillstand. Sonst hätte es ihr im schlimmsten Fall sogar den Motorblock gesprengt. Doch ganz langsam ist so etwas wie leise Hoffnung angebracht.

„Wenn jetzt nichts mehr dazwischenkommt, ist sie in 14 Tagen wieder fit“, sagt Ulf Engelmann. In seiner Werkstatthalle an der Ridderstraße fristet die betagte französische Dame seit Wochen ein eher trost- und motorloses Dasein. Ohne Stoßstange und Kühlerrost steht sie zwischen einer Vielzahl mehr oder weniger fahrbereiter Karossen.

Dabei ist der Oldtimer von Weinhändlerin Anna Miedecke doch eigentlich zu Höherem berufen. Bis zur Einlieferung in die Engelmannsche Notaufnahme stand der Lieferwagen vor der Marienkirche auf dem Wochenmarkt. Brachte dort ausgesuchte Weine an Frau oder Mann. Seither klafft dort im Dreieck zwischen Fleisch, Käse und Gemüse eine Lücke.

Anna Miedecke und Ulf Engelmann
Anna Miedecke und Ulf Engelmann mit Gerti, dem 50 Jahre alten Verkaufswagen aus Frankreich. Ein neuer Motor und ein TÜV-Termin trennen den Wagen noch von seiner Rückkehr auf den Wochenmarkt. © Stephan Rape

„Der Wochenmarkt ist ja eigentlich nur, um im Gespräch zu bleiben. Reines Marketing“, sagt Anna Miedecke. Die Veranstaltungen seien da schon eher für den Umsatz wichtig. Und hätten in den vergangenen Monaten wegen des Defekts einige Einschnitte bedeutet.

„Zu manchen Festen in der Innenstadt hab ich den Wagen ja sogar noch schleppen lassen“, sagt sie. Für die wöchentliche Fahrt auf den Markt wäre das aber ein viel zu großer Aufwand gewesen. Auch über Alternativen, andere Wagen oder gar einen Verkaufsanhänger hatte sie schon nachgedacht.

Kein Ersatz für den Oldtimer

„Aber das ist doch nicht das Gleiche“, sagt Ulf Engelmann, ganz Oldtimer-Freund, und winkt ab. Ende 2016 hatte Anna Miedecke den Wagen im Internet entdeckt. Seit 2017 ist sie damit in der Region unterwegs. Mitte vergangenen Jahres kam der technische Infarkt: „Der Wagen fing an, Wasser zu verbrauchen“, erklärt Anna Miedecke. Ein Symptom, das beim Kfz-Meister mehrere Alarmglocken schrillen ließ. Wo genau der Schaden liegt, ist noch nicht einmal klar.

Ulf Engelmann und Anna Miedecke vereinbarten, direkt den Motor auszutauschen. „Bei der Konstruktion kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen“, sagt Ulf Engelmann über den gerade einmal 68-PS-starken Dieselmotor. Zwar ein durch und durch mechanischer Block, dabei aber so fummelig konstruiert, dass es eine gefühlte Ewigkeit dauere, ihn zu demontieren. Geschweige denn die Laufhülsen in den Zylindern auszutauschen.

Gerti, der Citroen HY von Wein Miedecke in der Werkstatt
Operation am offenen Herzen: Der Motor wird noch einmal ausgetauscht, dann soll Gerti wieder fahrbereit sein. Der Citroën HY, Baujahr 1974, ist seit August 2023 ein Fall für die KFZ-Intensivstation. © Stephan Rape

„Wer diesen Motor konstruiert hat, der gehört...“, der Rest des folgenden Handwerkerfluchs verliert sich irgendwo in der Tiefe von Gertis Eingeweiden. Aber damals, 1974, habe die Arbeitsstunde eben auch noch nichts gekostet. „Da konnte man das so machen“, schimpft der Kfz-Fachmann.

Trotzdem strahlt Ulf Engelmann bis über beide Ohren. Das sei eben noch richtige Automobiltechnik. „Da kann man auch ohne Computer noch was machen“, sagt er und tätschelt Gertis Zylinderköpfe. Moderne Motoren seien so verkleidet und verpackt, „da lässt du oben ne 8er-Nuss in den Motorraum fallen, die kommt unten nicht an“, erklärt er grinsend.

Zweiter Austauschmotor

Bei Gerti sei genug Platz, dass dort der ganze Steckschlüssel-Kasten durchpasse. Zwei letzte Schrauben halten den alten Vierzylinder noch an seinem Platz. Sind die gelöst, reicht ein Hubwagen, um den alten Motor aus- und den Neuen wieder einzubauen. Der eigentliche Austausch sei also nicht das Problem.

Dennoch koste es immens viel Zeit, die alten Motoren bis ins letzte Detail zu überholen. Ulf Engelmann organisierte deswegen ein Austauschaggregat. Hinter Saarbrücken hatte er den entdeckt. Die Maschine baute er ein, doch sie wollte nicht anspringen. Wieder ging viel Zeit ins Land.

Er suchte online in ungezählten Kleinanzeigen und stieß auf einen weiteren Austauschmotor. Dieses Mal bei Osnabrück. „Ich habe gesehen, dass der gelaufen ist“, beteuert er und zeigt zum Beweis auch noch ein Handyvideo, auf dem der alte Diesel im Leerlauf vor sich hin nagelt.

In spätestens 14 Tagen will er den neuen Motor eingebaut und eingestellt haben. Auch die Arbeit hat es nochmal in sich. „Man macht sich kein Bild davon“, wettert er vor sich hin. Um die Einspritzpumpe einzustellen, müsse man erst die Ventilfeder eines der Ventile demontieren. Nur damit könne der obere Totpunkt bestimmt werden und wenn man dann nicht aufpasse, würde das ganze Ventil auf Nimmerwiedersehen in den Brennraum fallen. Ein immenser Aufwand. Und überhaupt, diese Konstruktion...

Gerti lässt die Tirade stoisch und mit französischer Gelassenheit an sich abtropfen. 50 Jahre hat sie inzwischen auf den Karosserieblechen, ist weit gereist und lässt sich mit Sicherheit nicht so uncharmant aus der Reserve locken.

Markenzeichen kehrt zurück

Für Anna Miedecke ist nur wëchtig, dass das Auto wieder auf die Räder kommt. Schließlich ist es zu ihrem Markenzeichen geworden. „Die Leute erkennen uns wieder“, sagt sie und spricht von Gerti, dem Citroen HY, wie von einer engen Mitarbeiterin. Und die soll nach langer Krankheit nun endlich zurück an die Arbeit. Ohne Wiedereingliederung.

Wobei: „Den TÜV müsstest du auch noch machen, der ist wohl inzwischen abgelaufen“, ruft Anna Miedecke beim Gehen noch Ulf Engelmann zu. Fast möchte man meinen, dass Gerti sorgenvoll durch die Ventile schnauft...