Ganz bescheiden sitzt die blaugebänderte Täubin an diesem Nachmittag mit ihrem Partner in ihrer Taubenzelle und beobachtet ihre gefiederten Nachbarn im Schlag. Dass sie vor wenigen Tagen noch mit ihrer Mannschaft im niederländischen Maastricht Olympia-Gold geholt hat, sieht man ihr auf den ersten Blick nicht an.
Der geflügelte Champion gehört dem Ahauser Taubenzüchter Bernhard Wittenbrink, der mit seinem Sohn Alexander die gleichnamige Schlaggemeinschaft bildet. Wittenbrink holt die erfolgreiche Athletin mit einem gezielten Griff aus ihrer Zelle und fährt die stromlinenförmigen Konturen des Tieres mit einer Hand nach.
Die Preisverleihung bei der FCI-Taubenolympiade in Maastricht war für den Ahauser zweifellos ein weiteres Karrierehighlight. Und die Bestätigung dafür, dass eine umsichtige Zuchtauswahl und das richtige Training sich auszahlen.
„Die Flugleistung ist das Ausschlaggebende. Wenn die Tauben dann auch auf der Ausstellung Leistung bringen, kommt das noch obendrauf“, sagt der Ahauser, der seit 1967 Brieftauben züchtet. „Mit zwölf Jahren hab ich die ersten Ringe bekommen“, erinnert er sich an den Beginn seiner Taubenliebe.

Bereits auf drei Olympiaden zuvor hat Wittenbrink mit seinen Tieren Gold geholt: 2011 in Posen/Polen, 2013 im slowakischen Nitra und 2015 in Budapest/Ungarn. „Ein bisschen braucht man auch Glück“, weiß der erfahrene Züchter, der selbst als Preisrichter tätig ist. So ein internationaler Wettbewerb ist jedes Mal etwas Besonderes. „Erst schon mal überhaupt dabei zu sein!“, sagt Bernhard Wittenbrink ehrfürchtig.
Bis es soweit war, hat die Täubin ein strenges Auswahlverfahren durchlaufen. Zunächst auf der Deutschen Brieftaubenausstellung in Dortmund und dann beim Vorentscheid in Jüchen, wo eine Jury aus den schönsten Tauben 16 ausgewählt hat, die Deutschland repräsentieren durften. „Ein Mitarbeiter vom FCI hat die dann sofort mitgenommen nach Maastricht“, erinnert sich Wittenbrink. Je fünf alte und drei junge Männchen und die gleiche Anzahl Weibchen bildeten die Nationalmannschaft, die Deutschland zum Sieger in der Standardwertung machte.
Konkurrenz aus 15 Nationen
Die Ahauser Olympiataube hat in der Einzelwertung für Standardweibchen den fünften Platz belegt und sich damit gegen viel Konkurrenz aus 15 Nationen durchgesetzt. 93,250 von 94 maximal möglichen Punkten und 2182,4 geflogene Kilometer stehen auf ihrem Wertungsblatt.
Drei der vier Täubinnen, die sich punktemäßig vor ihr platziert hatten, gehören ebenfalls zur deutschen Nationalmannschaft. Wittenbrinks Tier stammt aus einer erfolgsverwöhnten Zuchtlinie. Schon Tante und Vater seiner Siegertäubin waren für den Tierfreund Garanten für Olympiagold.

Die Wertung bei dem Wettbewerb erfolgt in zwei Teilen: Zunächst die Sportklasse, wo in verschiedenen Kategorien die Flugleistung bewertet und honoriert wird. Und dann die Schönheitsklasse. Und Wittenbrinks Täubin ist zweifellos eine Schönheit.
Trainings- und Meisterschaftsflüge sind für sie nach ihrer erfolgreichen Olympiateilnahme erst einmal vorbei. Für den Taubenzüchter steht fest: „Wir wollen die Taube gern zur Zucht einsetzen und sie wird nicht mehr an Preisflügen teilnehmen“. Bernhard Wittenbrinks Verein, der BZV Heimatliebe Ahaus, vereint mittlerweile seit 105 Jahren Ahauser Taubensportler.
Doch was fasziniert den Menschen so am Hobby Brieftaubenzucht? Für Wittenbrink ist die Antwort klar: „Man ist zu Hause und kann trotzdem sein Hobby ausüben. Es nimmt zwar sehr viel Zeit in Anspruch, aber man ist trotzdem greifbar für die Familie“, sagt er.
In seinem Schlag im Garten hinter dem Haus hält der Ahauser derzeit etwa 100 Brieftauben und Sohn Alexander Wittenbrink teilt die Taubenliebe. Wie es jedoch in der Zukunft mit seinem schönen Hobby weitergeht, steht für ihn noch in den Sternen. „Der Nachwuchs fehlt einfach“, spricht er ein weitverbreitetes Problem an.