Gebrauchtes Pedelec aus dem Ahauser Fundbüro Eine Wundertüte auf zwei Rädern

Gebrauchtes Pedelec aus dem Fundbüro: Eine Wundertüte auf zwei Rädern
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Pedelecs sind groß in Mode, aber auch nicht ganz billig in der Anschaffung. Wer ein vernünftiges, neues Modell haben will, muss mindestens 2500 Euro auf den Tisch legen.

Deswegen ist die Anschaffung eines gebrauchten Pedelecs für viele eine verführerische Alternative. Aber was gilt es dabei eigentlich zu beachten und welche Fallstricke sollten vermieden werden?

Einem Schnäppchen kann ich einfach nicht widerstehen. Und beim Stöbern im Internet stoße ich auf die Fundsachenversteigerung der Stadt Ahaus. Neben etlichen normalen Fahrrädern bietet die Stadt auch ein Pedelec an.

Zum sensationellen Preis von 43 Euro und 34 Cent! Die Fotos, mit denen das Rad illustriert wird, sind zwar nicht besonders vielversprechend, aber bei dem Preis kann man eigentlich nicht viel falsch machen.

Wenige Klicks später gehört das Schnäppchen mir. Ich freue mich, aber bin auch skeptisch. Die letzten 40 Jahre bin ich schließlich auch ohne Motor am Fahrrad zurechtgekommen. Und wer weiß schon, was mich erwartet? Mit Jana Weddewer vom Bürgerbüro vereinbare ich telefonisch einen Übergabetermin.

Ein Mitarbeiter hat das Pedelec vor meiner Ankunft aus dem Keller des Rathauses hochgeholt. Mit Jana Weddewer regele ich die Formalitäten. 2021 sei das Pedelec in Ahaus gefunden und dann abgegeben worden, erklärt sie.

Wahrscheinlich gestohlen, denn das Schloss ist aufgeflext worden. „Nach einem halben Jahr geht so eine Fundsache dann in den Besitz der Stadt über“, so Weddewer. Allerdings werde zuerst der Finder angeschrieben, denn der hat das Vorrecht auf den Fund.

Rückgabe nur in Ausnahmefällen

Falls der es nicht will, entscheidet die Stadtverwaltung, was damit passieren soll. Einiges lande auf dem Schrott, aber wenn das Rad noch brauchbar sei, komme es in die Versteigerung. „Die Eigentümer melden sich aber in der Regel schnell, wenn es ein wertvolles Fahrrad ist“, wiegelt Jana Weddewer ab. Jetzt im Sommer würden vor allem „Fetenfiezen“ abgegeben, also Fahrräder, die weniger wertvoll sind.

Ich werfe einen verzagten Blick auf meine Neuanschaffung, die mit platten Reifen und bepflastert mit Panzertape in der Ecke steht. Eine Rückgabe der gekauften Ware an das Fundbüro sei nicht vorgesehen, höchstens in Ausnahmefällen, macht Jana Weddewer mich auf die Endgültigkeit meines Kaufs aufmerksam.

Das Pedelec und ich, wir gehören also ab jetzt zusammen.

Kein wirklich schöner Anblick

Ich beschließe, die Wundertüte auf zwei Rädern vom Profi durchchecken zu lassen. Noch hege ich die Hoffnung, dass die „Möhre“, wie ich sie inzwischen liebevoll getauft habe, mit ein paar neuen Reifen und einer frischen Akkuladung wieder fahrbar wird. Nein, schön aussehen tut sie nicht, das merke ich beim Schieben durch die Stadt, während Passanten auf hübschen, neuen Pedelecs an mir vorbeisausen.

„Möhre“ und ich kommen schließlich bei Zweirad Müller auf der Coesfelder Straße an. Der Motor und der im Rahmen verbaute Akku machen das Rad recht schwer. Mit rund 28 Kilogramm ist es sogar schwerer als mein normales Hollandrad. Inhaber Peter Müller nimmt sich persönlich des Problemfalles an und schiebt das Pedelec in die Werkstatt.

18 Jahre hat dieses Sparta-Pedelec auf dem Buckel - man sieht es ihm an.
18 Jahre hat dieses Sparta-Pedelec auf dem Buckel - man sieht es ihm an. © Markus Gehring

Auf dem Weg dorthin stockt mir plötzlich der Atem: In einem Pulk von Fahrrädern, die auf ihre Reparatur warten, erblicke ich exakt das gleiche Modell wie meine „Möhre“ – nur in schön. So könnte meins also auch aussehen, mit ein wenig Liebe und kosmetischen Reparaturen, denke ich.

Azubi Hendrik Resing schließt das Lesegerät an, mit dem er ein Diagnoseformular erstellen will. Doch schon naht das nächste Problem: „Der Computer findet das Fahrrad nicht“, sagt er und überprüft noch einmal den Sitz des Anschlusses. Kollege Christoph Tepferd weiß Rat und beginnt, die Pedale zu drehen. „Oh, der Motor sitzt fest. Das merk ich jetzt schon“, sagt der Zweiradmechatroniker wenig hoffnungsfroh.

Technische Daten auslesen

Während die technischen Daten nun endlich über den Computerbildschirm laufen, schwinden meine Hoffnungen. Schließlich hält Peter Müller das ausgedruckte Diagnoseformular in der Hand und wirft einen Blick darauf. „Das ist schon 23.174 Kilometer gefahren, nicht schlecht für ein 18 Jahre altes Pedelec“, meint er.

Und: „Solange das bei seinem ersten Besitzer war, ist es einigermaßen gepflegt worden“, liest er aus der Angabe, dass es 50 Prozent der Zeit an ein Ladegerät angeschlossen war. Auch die Softwareversion ist aktuell und durchschnittlich hat eine Akkuladung 53 Kilometer gehalten.

Zweiradmechatroniker Christoph Tepferd und Azubi Hendrik Resing (v.l.) lesen die Elektronik des Pedelecs am Computer aus und erstellen ein Diagnoseformular.
Zweiradmechatroniker Christoph Tepferd und Azubi Hendrik Resing (v.l.) lesen die Elektronik des Pedelecs am Computer aus und erstellen ein Diagnoseformular. © Anna-Lena Haget

Dann der Tiefschlag. Peter Müllers Gesicht nimmt einen skeptischen Ausdruck an. „Der Akku hat sich 14 Mal tiefenentladen, das ist gar nicht gut“, gibt er zu bedenken. Tiefenentladungen seien mit das Schlimmste, was einem Akku passieren kann. Akku kaputt, Motor festgefahren – Ist das jetzt das Ende der „Möhre“, die ich doch gerade erst gekauft habe?

Der Fachmann zuckt die Schultern. „Man kann drüber nachdenken, aus zwei Fahrrädern eins zu machen, aber da stecken sie für ein 18 Jahre altes Bike einfach zu viel Geld rein und haben dann immer noch ein altes Fahrrad. Meine ehrliche Aussage: Schrott“, fällt er ein niederschmetterndes Urteil.

Feine Unterschiede

Welche Tipps sollte man als E-Bike-Neuling also beherzigen? „Das landläufige E-Bike ist das Pedelec und es ist dem Fahrrad gleichgestellt. Wichtig ist, dass man trotz Unterstützungsmotor selber in die Pedale treten muss“, erklärt Müller. E-Bikes hingegen haben einen Motor, bei dem man nicht selbst treten muss und brauchen ein Mofakennzeichen. Außerdem gibt es bei ihnen eine Helmpflicht.

Dann gebe es noch die S-Pedelecs, die bis zu 45 Stundenkilometer schnell fahren. Auch hier gibt es eine Helmpflicht und die Nutzer müssen damit zwingend auf der Straße fahren. „Aber die spielen heute in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle“, ergänzt er.

Der Kauf eines gebrauchten Pedelecs kann voller Überraschungen stecken.
Der Kauf eines gebrauchten Pedelecs kann voller Überraschungen stecken. © Markus Gehring

Pedelecs gibt es inzwischen für jeden Bedarf, vom Hollandrad bis zum Mountainbike. Interessierte sollten deshalb grob wissen, was sie brauchen. „Das Pedelec ist längst kein Alte-Leute-Rad mehr“, stellt der Ahauser klar.

Worauf man beim Gebrauchtkauf achten solle, sind bei Verschleißteilen besonders Kette und Ritzel. „Der Verschleiß wird höher, weil die Leute mehr fahren. Der Mittelmotor hat sich inzwischen durchgesetzt und die Kraft geht durch Kette und Ritzel“, sagt er. Natürlich sei der Verschleiß auch nutzerabhängig. Ansonsten ähnele das Pedelec beim Verschleiß dem guten, alten Drahtesel.

An dieser Buchse wird der Akku aufgeladen.
An dieser Buchse wird der Akku aufgeladen. © Markus Gehring

Eigenreparaturen schwierig

Wie viel kann man als Laie an einem Pedelec noch selbst reparieren? Müller lächelt. „Einen Plattfuß sicherlich noch, aber wenn es an die Sensorik geht, relativ wenig“, sagt er. Der Fahrradcomputer müsse beispielsweise von einem Fachmann ausgelesen und neu programmiert werden. Hochwertige Ersatzteile kosten auch dementsprechend, aber pauschalisieren will der Fachhändler diese Aussage nicht.

„Der Akku ist das große Risiko. Dass die Motoren kaputtgehen, ist sehr selten“, so Müller. Sobald die Garantiezeit für Akkus abgelaufen ist, seien Kosten sehr schwer zu kalkulieren. „Wir haben Nutzer, die sich bei einem gebrauchten Rad einen neuen Akku einbauen lassen, aber für viele ist das auch das Todesurteil für das Fahrrad“, sagt er.

Der Motor an diesem Pedelec ist am Hinterrad angebracht.
Der Motor an diesem Pedelec ist am Hinterrad angebracht. © Markus Gehring

Zu große Hitze schadet dem Akku, genau so wie das Tiefenentladen. Einen komplett leeren Akku wegzulegen, sei gefährlich, weil ein Akku trotzdem weiter Ladung verliert. Die beste Lagerkapazität liege bei etwa 60 Prozent, erklärt der Fachmann: „Bei ein bis vier Wochen passiert aber normalerweise nichts bei den neuen Akkus. Den Memory-Effekt, den es früher gab, hat man heute nicht mehr“.

Auch, wo der Akku verbaut ist, sollte sich der Käufer genau anschauen. Manche Akkus sind abnehmbar, so dass sie flexibel überall an den Strom angehängt werden können. Für fest verbaute Akkus muss man für das ganze Rad eine Steckdose finden. Schwierig, wenn der Nutzer im dritten Stock wohnt.

Weiter fahren dank Motor

Trotzdem ist Peter Müller, der selber ein E-Bike fährt, vom großen Nutzen der elektrogetriebenen Räder überzeugt. „Wir merken, dass ganz viele Leute durch weniger Kraftanstrengung plötzlich viel weitere Strecken fahren. Das ist das gute und gesunde am Pedelec: Sie müssen sich bewegen und das tun sie dann auch“, stellt er die gesundheitlichen Vorteile heraus.

So wie es aussieht, trennen sich die Wege von „Möhre“ und mir an diesem Punkt wieder. Ein wenig traurig bin ich darüber schon. Aber ein letztes Mal werde ich sie noch schieben: In Richtung Wertstoffhof.