15 Jahre nach der Jahrhundertflut in Ahaus Hochwasserschutz kommt nur mühsam vorwärts

15 Jahre nach Jahrhundertflut: Hochwasserschutz geht nur mühsam voran
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Der entscheidende Tropfen Wasser landet irgendwann in der Nacht auf Freitag in der Aa. Es ist der 26. August 2010: Fast 160 Liter Regen pro Quadratmeter waren da in den 48 Stunden zuvor über Ahaus und Umgebung gefallen. Aa und Ölbach hält es nicht mehr in ihren Betten. Die Verwüstung zieht sich quer durch die Stadt, durch Wessum, Teile von Wüllen, Ottenstein und Alstätte. Ungezählte Keller laufen voll, Straßen werden unterspült, eine Brücke stürzt ein. In Legden wird sogar der Düstermühlenmarkt abgesagt. Die Fläche steht komplett unter Wasser. Wie durch ein Wunder kommt es zu keinen schweren Verletzungen. Hunderte Feuerwehrleute sind tagelang im Einsatz. Die Schäden bleiben über Wochen sichtbar.

Ein Jahrhundertereignis. Sowohl von der Niederschlagsmenge als auch von den Schäden. Doch eines, was praktisch jederzeit wieder passieren könnte. Denn auch 15 Jahre später hat sich am Hochwasserschutz noch nicht viel getan. Zumindest draußen in der Landschaft. Von dem angedachten neuen Damm entlang des Adenauerrings ist nichts zu sehen. Auch die eingeplanten Überflutungsflächen vor den Toren der Stadt sind noch nicht angelegt. Die Verbreiterung der Überschwemmungsflächen entlang der Umflut ist noch Zukunftsmusik.

Jahrhundertflut Hochwasser Ahaus 2010
Knietief stand das Wasser im August 2010 in vielen Ahauser Straßen – wie hier in der Hofmate. 15 Jahre später arbeitet die Stadt Ahaus daran, Flächen für den Hochwasserschutz zu bekommen. © Thorsten Ohm (Archiv)

Vielleicht in zwei oder drei Jahren könnte es eine Genehmigungsplanung geben. Könnte. Darauf hofft zumindest Richard Bömer. Der ist eigentlich im Ruhestand, war in der Stadt jahrelang für den Fachbereich Tiefbau zuständig. Rund um das Thema Hochwasserschutz berät er die Stadt weiter.

Einer ersten Nachfrage nach einem Datum für die Fertigstellung der Dämme war er komplett ausgewichen: „Ich sag‘ jetzt keine Zahl. Aktuell reden wir über fremde Flächen“, erklärte er im Ausschuss für Verkehr und Umwelt den staunenden Politikern. Und daran hakt es gerade: den Eigentumsverhältnissen.

Planung verändert sich noch

In den vergangenen zehn Jahren hat die Stadt nach und nach Flächen gekauft. Rund 16 Hektar gehören der Stadt. Doch noch gleichen die einem Flickenteppich. Für die etwas mehr als 14 Hektar zusammenhängender Fläche für den Hochwasserschutz, für Dämme und mögliche Sekundärauen müssen die noch getauscht werden. Das ist bisher vom Willen der Eigentümer abhängig.

Eine neu geplante Variante für den Hochwasserschutz kommt mit etwas weniger Fläche als ursprünglich angedacht aus. Dann fällt an diesem Abend das entscheidende Wort: Enteignung.

Allerdings noch etwas versteckt: Von Flurbereinigung ist die Rede. Von einer Planfeststellung und von der „enteignungsrechtlichen Vorwirkung“. Über Flächentausch und das Flurbereinigungsverfahren will die Stadt an die benötigten Flächen kommen. Danach wären weitere Schritte denkbar. Insgesamt verändere sich die Planung auch noch. Es handele sich um einen Prozess, in dem sich verschiedene Punkte immer noch verschieben.

Stadt will vorab Wogen glätten

„Das Enteignungs-Schwert finde ich schon heftig“, sagt Heinz Josef Kappelhoff (CDU). Ob das nicht eher für noch mehr Widerstand sorge? Der Technische Beigeordnete Thomas Hammwöhner versucht, zu beruhigen: Die Behörden würden sich praktisch in einer Patt-Situation befinden. „Wir brauchen die Untere Wasserbehörde und das Flurbereinigungsverfahren, die uns die Flächen passend tauschen“, sagt er.

Einerseits bekomme auch die Stadt Druck, den Hochwasserschutz umzusetzen. „Es geht um den Schutz von Leib und Leben“, sagt er. Andererseits versuche die Stadt natürlich vorab schon, Wogen zu glätten. „Wir sind nicht glücklich, diese Arbeit machen zu müssen“, erklärt Thomas Hammwöhner. Ludwig Niestegge (UWG) hakt nach: „Sie reden mit den Eigentümern über Enteignung?“ „Wir haben Grunderwerb getätigt, um zu verhindern, dass die ganz scharfen Schwerter gezogen werden müssen“, erklärt Thomas Hammwöhner.

Die vergangene Zeit seit dem Hochwasser bleibt für die Politik an diesem Abend das größte Manko: „Das kann man einem normalen Bürger eigentlich nicht mehr erklären“, sagt Ludwig Niestegge. Auch Christian Rudde (CDU) fand deutliche Worte: „Ich möchte hier nicht sitzen, wenn die Stadt wieder voll läuft und wir mit dem Hochwasserschutz nicht fertig sind.“

Innenstadt, Wessum, Ottenstein

Gleichzeitig bedeute der anstehende Hochwasserschutz aber auch innerhalb der Stadt große Maßnahmen: Weil die Aa als durchgängiges Gewässer gestaltet werden müsse. Darüber wurde in der Sitzung aber nicht weiter gesprochen.

Die Planung geht weiter. Auch vor Wessum. Dort steht die Stadt deutlich schlechter da, konnte noch keine Flächen erwerben. Die Fortführung der Nordumgehung zwischen Graeser Straße und Hamalandstraße und der damit zusammenhängende Flächenerwerb sind da schon mit eingebunden.

Und auch flussaufwärts am Ölbach bei Ottenstein gehe die Planung weiter. „Das liegt nicht brach“, sagt Richard Böhmer. Das ist ein ganz anderes Gewässersystem und wird deswegen separat betrachtet. Auch dort arbeite die Verwaltung am Grunderwerb.