Fahrschulen in Ahaus wehren sich gegen Vorwürfe „In jeder Branche gibt es schwarze Schafe“

Fahrschulen wehren sich: „In jeder Branche gibt es schwarze Schafe“
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Das ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann stellte in der Sendung vom 21. April 2023 Fahrschulen als Angstraum und Ort für sexuelle Übergriffe dar. Dabei befragten sie hauptsächlich eigene Kolleginnen und Kollegen und durchforsteten Online-Portale. Das Ergebnis: von kuriosen bis grenzüberschreitenden Vorfällen ist alles zu finden. Wen sie jedoch nicht zu Wort kommen lassen, sind die Fahrschulen selbst.

Miriam Schütt ist seit drei Jahren Fahrlehrerin in der Fahrschule Guido Franke in Ahaus. Als Frau ist sie in dem Job eine Rarität. Die meisten Fahrschulen sind durchweg mit Männern als Fahrlehrer besetzt. In vielen gibt es jedoch Frauen, die für die Bürotätigkeiten zuständig sind.

„In jedem Job gibt es irgendwie Klischees“, erklärt Miriam Schütt. Und genau an diesen hänge sich Jan Böhmermann in seiner Darstellung zu Fahrschulen auf. Die Anschuldigungen hält sie für nicht tragbar. „Das ist Schwachsinn“, meint die Fahrlehrerin. Es sei nicht nur aus organisatorischen Gründen schwierig, die dargestellten Vorwürfe auf die Realität zu übertragen.

Werbung durch Mundpropaganda

Vieles laufe bei Fahrschulen über Mundpropaganda. Meistens sitzen ganze Freundesgruppen zusammen in den Theoriestunden. Solche Vorfälle würden sich schnell rumsprechen. „Viele Fahrlehrer haben funktionierende Fahrschulen“, nennt Schütt als Gegenargument.

Ganz abstreiten kann sie die Darstellungen jedoch nicht: „In jeder Branche gibt es schwarze Schafe.“ Sie selbst kenne jedoch keinen Vorfall oder Kollegen, bei denen sexuelle Übergriffe oder grenzüberschreitende Handlungen bekannt sind.

Fahrstunde im Auto
Eine Fahrstunde findet in einem engen Raum statt, aus dem man sich nicht so einfach zurückziehen kann. © unsplash

Doch auch die Ausbildung der Fahrlehrer habe sich in den letzten Jahren geändert. „Es wird viel Wert darauf gelegt, dass man von dem Klischee wegkommt.“ Mittlerweile bestünde die Ausbildung zur Hälfte aus einem pädagogischen Teil, der den richtigen Umgang mit Schülerinnen und Schülern schult. Das Bewusstsein für einen sensiblen Umgang mit Grenzen sei dadurch gewachsen, erklärt die Fahrlehrerin.

Besondere Situation im Auto

Fahrschulen stellen jedoch einen besonderen Raum dar. „Das ist eine Dienstleistung auf ganz engem Raum“, so die 32-Jährige. In dem Auto ist man während der Fahrt erstmal gefangen, sich einfach aus der Situation zu entfernen, ist nicht möglich. „Dass es mal menschlich nicht klappt, sehen wir auch hier in der Fahrschule manchmal“, sagt Schütt.

Doch genau das richtige Verhalten in solchen Situationen werde in der Ausbildung geschult, erklärt sie. Wenn es doch mal nicht passen sollte, tauschen die Fahrlehrer einfach untereinander. Je nach Charakter harmonieren die Schülerinnen und Schüler mit einem anderen Fahrlehrer besser. „Die lernen uns im Unterricht kennen“, erklärt Schütt.

Nach den ersten Theoriestunden können die Schülerinnen und Schüler sich dann selbst für eine Fahrlehrerin oder einen Fahrlehrer entscheiden und bei Bedarf auch wechseln.

Einzige Fahrlehrerin in der Fahrschule

Sie sieht es positiv, als einzige Frau in der Fahrschule zu unterrichten: „Ich glaube, es ist ein großer Vorteil, dass ich als Frau hier bin.“ Dadurch kann die Fahrschule ihren Schülerinnen und Schülern eine Wahlmöglichkeit geben, bei wem sie die Fahrstunden nehmen wollen. „Ansonsten kann man wenig präventiv machen“, so Schütt.

Dass Fahrschülerinnen und Fahrschüler aufgrund ihres Geschlechts extra zu ihr kommen, kann sie jedoch nicht bestätigen. Für eine Fahrschule spreche eher die Freundlichkeit, die Freunde vor Ort und natürlich auch die Autos, meint die Fahrlehrerin.

Fahrschule widerspricht

Auch andere Fahrschulen können das vom ZDF Magazin Royale gezeichnete Bild nicht wiedergeben. „Es ist auch mal Zeit, damit aufzuklären“, meint Karin Ostendorf. In der Fahrschule Peter Ostendorf kümmert sie sich um die organisatorischen Dinge. Selbst ist sie keine Fahrlehrerin.

Dadurch ist sie aber immer Anlaufstelle für die Schülerinnen und Schüler. Bereits bei der Anmeldung gebe sie den Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg, sich bei ihr zu melden, wenn es Probleme gibt.

Fahrschule Peter Ostendorf Karin Ostendorf
Karin Ostendorf ist in der Fahrschule Peter Ostendorf in Wüllen und Umgebung Ansprechpartnerin für die Schülerinnen und Schüler. © Alexandra Schlobohm

„Wenn sowas publik werden würde, würde man das an den Anmeldezahlen sehen“, erklärt sie. Probleme wegen Belästigung hätten sie bislang nie gehabt. Trotzdem sei dem Team bewusst, dass fahren lernen eine Vertrauenssache ist.

Ein Fall im Kreis bekannt

Der Pressesprecher des Kreis Borkens, Karlheinz Gördes, berichtet von der Situation im Kreis: „Wir hatten in den letzten zehn Jahren einen einzigen Fall.“ Ende 2022 habe es einen Hinweis gegeben, dass ein Fahrlehrer über Whats-App belästigende Nachrichten geschrieben habe.

„Man gibt den betroffenen Personen Zeit, sich zu äußern“, erklärt er. Das Straßenverkehrsamt habe bereits ein medizinisch-psychologisches Gutachten angeordnet, das bisher nicht vom Beschuldigten vorgelegt wurde. Je nach Ergebnis folgt die Entziehung der Fahrlehrererlaubnis.

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