Ein buntes Chaos herrscht in der Dachgeschosswohnung von Helena Hartmann in Wüllen. Entfremdete Figuren, Bilder und Skizzen, aber auch Sammlerstücke stehen an verschiedenen Stellen. Kunst, soweit das Auge reicht. Die 40-Jährige ist Künstlerin und lebt sich in vielen verschiedenen Bereichen kreativ aus und setzt Statements - nicht nur in ihrer Wohnung. Aber kann man von der Kunst leben?

Das ist Helena Hartmann
Die gebürtige Wüllenerin war schon immer kreativ. Daher entschied sie sich 2006 für ein Kunststudium an der Uni in Enschede. 2013 folgte dann der Master in London. Danach habe sie ausgestellt und die ersten Kontakte zu anderen Künstlern und Galerien geknüpft. „Vor Ort haben sich dann meist auch weitere Möglichkeiten ergeben, um woanders auszustellen“, erzählt sie.
Heute würde Helena Hartmann ihre Kunst als „Mixed Media“ bezeichnen. Texte, Zeichnungen, die gestrickten Sachen ihrer Mutter, Skulpturen aus Materialien jeglicher Art, aber auch Schauspiel. Das alles gehört dazu, wenn die Künstlerin ausstellt. Viel Arbeit und viel Leidenschaft stecke dahinter. „Ich performe dann dazu“, sagt sie. „Dabei ist die Performance völlig frei und entsteht in dem Moment selber. Ich reagiere auf den Raum und die Zeit“, beschreibt sie ihre Darstellungen.

Sie könne aber nicht durchgehend vor Ort sein. Daher funktionieren die Ausstellungen auch ohne die Performance. „Ich versuche aber, so oft wie möglich da zu sein“, sagt sie motiviert. „Es ist schöner, wenn der Künstler erklären kann, was der Gedanke dahinter ist.“
Was bleibt von der Kunst?
„Es ist super schwer, davon zu leben“, sagt Helena Hartmann. Schon während ihres Studiums habe sie nebenbei Workshops gegeben und im sozialen Bereich gearbeitet. Eine Kombination aus verschiedenen Stipendien und die Unterstützung ihrer Eltern haben der Wüllenerin ein Leben mit der Kunst ermöglicht.
Das habe sich bis heute nicht geändert. „Meine Eltern sind eine große Unterstützung“, sagt die 40-Jährige. „An meinem Vater ist auch ein Künstler vorbeigegangen.“ Ihre Mutter unterstütze sie zudem auch künstlerisch. „Seit sie in Rente ist, ist sie auch kreativ unterwegs“, so Helena Hartmann. Sie stricke viele Dinge, die dann in Kunstprojekte einfließen.
Außerdem kann sie in ihrer Dachgeschosswohnung im Haus ihrer Eltern mietfrei wohnen und muss nur für die Nebenkosten aufkommen. Für Kunstprojekte gebe es Fördermittel. „Die Beantragung ist natürlich mit viel Aufwand verbunden, sodass weniger Zeit für Kreatives bleibt“, sagt sie. Doch was bleibt jetzt am Ende übrig?
„Du darfst froh sein, wenn du keine Miete für die Location zahlen musst, in der du performst oder ausstellst“, erzählt Helena Hartmann. „Es kommen auch nicht immer viele Leute. Wenn Leute einmal in der Ausstellung waren, kommen sie nicht ein zweites Mal.“
Obendrein kommen auch noch Reisekosten dazu. „Und man kennt nicht immer überall Leute, wo man auf dem Sofa pennen kann“, sagt sie. Bei Auftritten bei Kunst- oder Performancefestivals werde dann Unterkunft und Verpflegung vergütet. Doch wie kommt dann Geld in die Kasse? „Das meiste kommt aus den Workshops, die ich zum Beispiel an Schulen gebe“, sagt sie. Aber eben auch durch Fördermittel.
Kunst lehren
Um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren, arbeitet Helena Hartmann an Schulen. „Ich war mal Teilzeit als Kunstlehrerin am Alexander-Hegius-Gymnasium in Ahaus tätig“, erzählt sie. Nebenbei hätte sie genügend Zeit für die Kunst gehabt. Aktuell ist sie Schulbegleiterin und leitet Workshops, könnte sich aber vorstellen, wieder Kunst zu unterrichten.
Warum? „Es ist schön zu sehen, was die Kinder kreieren, was sie zum Ausdruck bringen, wenn man sie lässt“, sagt sie mit Begeisterung in den Augen. „Sie haben so tolle Ideen, man muss ihnen nur einen Raum geben.“ Nur mit der Kunst allein würde es also ziemlich schwer werden.
Viele Werke verkaufe sie auch nicht. „Meine Kunst ist einfach viel zu progressiv dafür, um es sich ins Wohnzimmer zu hängen“, sagt sie. „Wenn du wirklich davon leben willst, musst du eine Marke werden“, weiß sie von anderen Künstlern. „So werde ich aber nie sein.“
Was treibt sie an weiterzumachen?
Eine Frage, die sich Helena Hartmann des Öfteren schon selbst gestellt hat: Warum mache ich das alles? Ihre Dozenten an der Uni haben ihr bereits früh geraten, den Gedanken, Kunst zu verkaufen und davon leben zu wollen, zu verwerfen. „Nach und nach, nach der ersten Euphorie im Studium, habe ich dann gemerkt, wie schwierig es wirklich ist, davon zu leben“, sagt sie mit einem Stirnrunzeln.
Aufgeben ist für Helena Hartmann dennoch keine Option. „Ich mag es, an unterschiedlichen Orten zu sein und Menschen zu treffen“, sagt sie euphorisch. „Ich kann mit meiner Kunst auf das Weltgeschehen reagieren. Sie bietet mir einen Ort, um Dinge zu verarbeiten.“ Außerdem sei es der spannende Austausch auf Veranstaltungen, bei denen sie tiefe Gespräche führen könne. „Ich stehe auch gerne auf der Bühne. Dort kann ich jemand anderes sein, ohne mich selbst zu verlieren.“
Helena Hartmanns Traum
„Das Schönste wäre wirklich eine Kombi aus Part-Time-Lehrerin und Künstlerin“, sagt Helena Hartmann mit Blick in die Zukunft. Aber noch ein weiterer Traum schlummert in ihr. „Ein Raum in Ahaus, den man bespielen kann. In dem man künstlerisch aktiv sein und Theater spielen kann. Dazu ein Café. Und dann langfristig.“ Und wenn von der Kunst mehr übrig bleiben würde.