Durchaus mondän war Henry Paul 1967 unterwegs: Einen Opel Kapitän fuhr der heute 77-Jährige damals. Dabei hatte er gerade erst seine Lehre als KFZ-Mechaniker abgeschlossen. „Meine Freunde und Bekannten fuhren Fahrrad. Einer hatte einen Messerschmitt“, sagt er lachend. Einen Kabinenroller. Damals, im geteilten Berlin.
Der junge Henry Paul saß stattdessen am Lenkrad einer nachtschwarzen Opel-Oberklasselimousine. „Naja, es war eine ehemalige Taxe“, sagt Henry Paul und hebt beide Hände. Anders hätte er sich den Wagen schon gar nicht leisten können. 2000 DM habe der gekostet. Günstiger als die 10.000 DM für einen Neuwagen, für einen gerade fertig gewordenen Lehrling aber immer noch eine Menge Holz. Der Vater eines Bekannten hatte das Auto in der Werkstatt stehen – und ihm verkauft. „Ich wollte den unbedingt haben“, sagt Henry Paul.

Und für den damals 20-Jährigen ging es mit dem Kapitän und zwei Freunden auf große Fahrt: „Rund um Berlin stand die Mauer, da konnte man ja nicht viel fahren“, sagt er heute. Für Henry Paul und seine beiden Freunde Helmut und Lutz ging es mit dem Opel Kapitän 600 Kilometer über die A9 nach München. „Zum Oktoberfest“, sagt Henry Paul mit strahlendem Gesicht. Seine Freunde hoben die Humpen, er blieb nüchtern. Schließlich wollte er den Wagen zurück fahren.
Trotzdem hätte das Trio um ein Haar den Zug nehmen müssen. „Wir haben mein Auto verloren“, sagt Henry Paul. Heute noch muss er darüber den Kopf schütteln. Dabei hatte er es unmittelbar vor einem Hinweisschild abgestellt. „Zum TÜV“ habe darauf gestanden.
Überall Hinweis-Schilder
„Das Dumme war, dass da in der ganzen Gegend überall Schilder für die TÜV-Prüfstelle standen“, sagt er heute. Erst ein freundlicher Münchener habe den drei Berlinern schließlich helfen können. „Der hat erst seinen Hund weggebracht, dann sein Auto geholt und ist mit uns die Straßen abgefahren“, erinnert sich Henry Paul. Nach über einer Stunde haben sie den schwarzen Wagen schließlich am Straßenrand wiedergefunden.
Auch die Rückfahrt hielt noch ein Abenteuer bereit: „Wir haben auf einer Wiese eine Pause gemacht“, erzählt Henry Paul. Und vielleicht haben sie für einen Moment die Augen zugemacht. Vom Regen, der auf die Karosserie tropfte, wurden sie geweckt. „Ich wollte mit dem Wagen von der Wiese runter, bevor der Boden aufweichte.“ Er stieg aus, schob an, sein Kumpel saß am Lenkrad und gab Gas. „Ich hab den ganzen Schlamm auf die Hose bekommen“, sagt er. Weil er die dann in den Kofferraum zum Trocknen legte, fuhr er mit einer Decke auf den Beinen weiter. „Als ich dann in Berlin an der Grenze aussteigen musste, stand ich plötzlich in Unterhose vor dem Grenzer. Der hat vielleicht geguckt“, sagt er und lacht laut los.
Das Ende war der Frostschutz
Ein oder eineinhalb Jahre hielt der Kapitän ihm die Treue. Das Ende kam in einer frostigen Winternacht: „Ich hatte ja nicht mal Geld für Frostschutz“, sagt er. Der Motor überstand den Frost nicht. Der Wagen ging in den Schrott. „Schade drum“, sagt er. Dann wischt er den Gedanken beiseite.
Er verließ kurz danach West-Berlin. Hätte da den Wagen wohl ohnehin stehen lassen. Henry Paul ging nach Westdeutschland. Und natürlich kamen zig andere Autos. Klar sei ein Auto auch immer mal wieder ein Statussymbol für ihn gewesen. 30 bis 40 Fahrzeuge seien es in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt wohl gewesen. Genau mag er sich da heute nicht mehr festlegen.
Und ja, da seien auch später nochmal Exoten dazwischen gewesen. „Ein Camaro“, sagt er mit leuchtenden in den Augen. Auch der ist längst Geschichte. Was er beschwören kann: „Einen Neuwagen hatte ich nie.“
Seit fünf oder sechs Jahren hat er gar keinen Wagen mehr vor der Tür stehen. „Habe ich abgegeben. Brauche ich nicht mehr“, sagt er. Mit dem öffentlichen Nahverkehr, dem Fahrrad oder im Ausnahmefall einem Auto der Kinder komme er zurecht.