Es ist ein schleichender Prozess, dessen Auswirkung sich jetzt mit voller Wucht auf den Arzneimittelmarkt niederschlägt. Rund 300 Medikamente sind derzeit nicht (mehr) verfügbar. Längst sind nicht mehr nur Kinderarzneimittel betroffen. Auch in Ahaus ist dieses Problem allgegenwärtig.
Maria Luise Nienhaus, Apothekerin und Inhaberin der Marien- und Aesculap-Apotheke, redet im Gespräch mit der Redaktion nicht um den heißen Brei. Seit drei Jahrzehnten ist sie im Geschäft. So eine Arzneimittelknappheit wie jetzt habe sie bisher noch nicht erlebt.
Liste ist lang
Die Liste der Medikamente, die aktuell kaum mehr zu bekommen sind, ist lang. Von Fiebersaft über Paracetamol sowie Ibuprofen als Saft bis hin zu Arzneimitteln, die zur Behandlung von Infektionen mit Bakterien verwendet werden, reicht die Palette.
Mit Blick auf Paracetamol sagt Maria Luise Nienhaus: „Da ist alles für Kinder im Moment nicht mehr lieferbar.“ Hinzu kämen etliche Medikamente für Erwachsene. Zwar haben Apotheken derzeit etwas mehr Spielraum von den Krankenkassen, alternative Lieferanten für fehlende Produkte zu wählen, aber auch das löst nicht alle Sorgen.
China und Indien
Problem: Viele deutsche Pharmaunternehmen können nicht mehr zu den von den Krankenkassen aufgerufenen Konditionen Arzneimittel produzieren. So wird vieles ins Ausland ausgelagert. Schwerpunkte sind dabei China und Indien.
So steigt mit Blick auf die Arzneimittelherstellung und Lieferung die Abhängigkeit von diesen Ländern. Es ist also ein globales Verknappungsproblem. Kommt es in diesen Ländern zu Produktionsstopps, wirkt sich das auch auf den deutschen Markt aus. Corona und der Ukrainekonflikt tun ihr Übriges.
Zurück nach Ahaus. Maria Luise Nienhaus betont, dass es nicht sinnvoll sei, sich auf Monate mit Medikamenten einzudecken. „Das verstärkt die Knappheit ja nur noch.“ Aber: Jeder, der auf Medikamente angewiesen ist, sollte sich rechtzeitig um Nachschub kümmern, sprich, nicht damit bis zur letzten Tablette warten.
Wer nicht unnötig hin und her laufen möchte, der sollte, schon bevor er sich bei seinem Arzt ein Rezept ausstellen lässt, in der Apotheke nachfragen, ob das gewünschte Medikament überhaupt verfügbar ist.

Wenn nicht, kann in einem Beratungsgespräch eine passende Alternative gesucht werden. Das umgeht zugleich den Frustmoment, mit einem Rezept in der Apotheke zu stehen und dann nicht das gewünschte Produkt zu bekommen.
Maria Luise Nienhaus weist zudem auf die Möglichkeit hin, Medikamente durch Rezeptübermittlung vorzubestellen. „So sehen wir ja, was gefragt ist, und können gegebenenfalls direkt das Gespräch suchen.“ Das für den Fall, wenn ein gewünschtes Arzneimittel nicht verfügbar ist.
Lieferengpass bekannt
Die Zahl 300 bei den nicht verfügbaren Arzneimitteln bestätigt die Ahauser Apothekerin. Man stehe natürlich bei den Großhändlern auf der Liste, bekomme auch immer mal wieder etwas rein, aber eben nicht in dem Umfang, wie nachgefragt.
Das Wort „Lieferengpass“ sei unter den Kunden mittlerweile auch ein Begriff. „Die Geduld bei den Kunden ist sehr gestiegen. Sie sind auf die Thematik eingestellt. Das ist sehr erfreulich“, berichtet die Apothekerin.

Etwas, das längst keine Selbstverständlichkeit ist. Wie überregionale Medien bereits berichtet haben, sollen schon Kunden aus lauter Frust, ein verschriebenes Medikament nicht bekommen zu können, sehr laut geworden sein.
Dabei können die Apotheken nichts dafür, wenn es gewisse Medikamente nicht gibt. „Wir können aber beratend helfen, Alternativen zu finden“, so Maria Luise Nienhaus. Und erfreulicherweise sei die Bereitschaft bei den Kunden auch vorhanden, sich auf diese einzulassen.
Wie sich die Lage auf dem Arzneimittelmarkt weiterentwickelt, ist unklar. „Welche Ausmaße das noch annimmt, vermag ich nicht zu beurteilen“, sagt die Apothekerin. Abwarten und hoffen ist die Devise.