Denyal Rechner ist elf Jahre alt. Als seine Eltern den Besuch an diesem Nachmittag an ihrem Küchentisch in Ahaus empfangen, hat er eigentlich überhaupt keine Lust dabei zu sitzen. Doch er weiß, dass er die Aufmerksamkeit im Moment braucht.
„Naja, das ist halt so“, sagt er zu dem Rollstuhl, in dem er sitzt. Er muss tief atmen und zuckt mit den Schultern. Seine Arme hat er auf den Lehnen des Stuhls abgelegt. Mit der Hand spielt er an einer Packung Taschentücher, die auf dem Tisch liegt. Gut bewegen kann er sie nicht. „Es fühlt sich alles unheimlich schwer an“, sagt er. Ständig sei er müde. Richtig K.O.
Ines (43) und Andreas Rechner (54) nicken. Seit eineinhalb Jahren ist ihr Sohn dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen. Und dadurch immer mehr an das Haus gefesselt. Denn Denyal kann seine Muskeln immer weniger bewegen.
Mit drei Jahren bekommt der heute Elfjährige die Diagnose: Myasthenie. Eine Autoimmunerkrankung, die die Übertragung der Nervensignale an die Muskeln stört. Die seltene Krankheit ist nicht heilbar. Auf eine Million Menschen kommen durchschnittlich 100 bis 200 Betroffene. Noch seltener ist sie bei Kindern.
„Wir haben uns immer in der Beweislast gefühlt, weil das eigentlich eine Krankheit ist, die ältere Menschen bekommen“, sagt Ines Rechner. In vielen Fällen könne sie durch Medikamente eingedämmt werden. Doch das hat bisher nicht gut funktioniert. Zehn verschiedene Medikamente muss der Junge jeden Tag nehmen. Zu der Muskelschwäche kommen starke Schmerzen und Krämpfe. „An manchen Tagen bekomme ich ihn gar nicht aus dem Bett“, sagt Andreas Rechner.
Vor eineinhalb Jahren seien die Symptome schlimmer geworden: Konnte Denyal sonst gute zwei Kilometer laufen, war er plötzlich nach wenigen hundert Metern völlig erschöpft. „Wir waren immer eine Draußen-Familie“, sagt Ines Rechner.
Zweite Diagnose macht Sorgen
Seit Ende Januar steht eine weitere Diagnose fest: Denyals rote Muskelfasern, die für ausdauernde Bewegungen zuständig sind, werden zerstört und bauen sich auch nicht wieder auf. „Am 24. Januar hat man uns wirklich den Stecker gezogen“, sagt Andreas Rechner und kämpft für einen Moment mit den Tränen. Seine Frau nickt.
Auch wenn Denyal ohne den Rollstuhl nicht mehr zurechtkommt, ist der ein riesiges Hindernis. Allein kann er ihn kaum bewegen. Familie, Freunde und Mitschüler helfen ihm. Auch die Lehrer am Alexander-Hegius-Gymnasium unterstützen ihn nach Kräften, betonen die Eltern. „Aber er soll ja eigentlich selbstständig sein“, sagt Ines Rechner. Allein draußen unterwegs sein. Sich alleine bewegen und Freunde treffen können. Draußen. Im Moment kommen die Schulfreunde regelmäßig zu den Rechners nach Hause.

Einen passenden Rollstuhl findet sie online. Ein Modell aus der Schweiz, das Treppen steigen oder die Sitzposition bis auf Augenhöhe der Umstehenden erhöhen kann. Auch schwieriger Untergrund sei damit kein Problem: Sand, Waldwege, Kopfsteinpflaster – kein Problem. Im Gegensatz zu den Kosten: Gut 55.000 Euro soll der Rollstuhl von Scewo kosten. Ines Rechner lässt die Hoffnung fahren. Diese Summe kann die Familie nicht aufbringen. „Das ist einfach eine Nummer zu groß“, sagt Andreas Rechner. Ihnen sei klar geworden, dass sie es alleine nicht schaffen können.
An diesem Punkt übernimmt Denyals Schwester Jana Rechner die Initiative: Die 27-Jährige startet online eine Spendenkampagne für ihren Bruder. „Meine Eltern hätten das von sich aus nie getan“, sagt sie. Aber sie sah in der Kampagne die einzige Möglichkeit, an den Rollstuhl zu kommen. „Und er braucht den einfach“, sagt sie. Einen Rollstuhl, der alles könne. Vor allem draußen mit Freunden unterwegs zu sein. Das gehe ja im Moment einfach nicht. Innerhalb weniger Wochen habe ihr Bruder sich deutlich zurückgezogen, erzählt sie.
Schritt an die Öffentlichkeit
Trotzdem ist der Schritt an die Öffentlichkeit nicht einfach für die Eltern. Sie wollen nicht von betteln reden, aber so um Unterstützung zu fragen, sei ihnen einfach unangenehm. Doch der Erfolg gibt Jana Rechner Recht: Innerhalb von nur zwei Wochen sind schon über 20.000 Euro zusammengekommen.
„Ich bin ja Optimistin und hatte gehofft, dass es gut läuft“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Dass es so gut laufen würde, überrascht sie aber selbst. „Aber jeder Euro hilft“, sagt sie. Das Geld hilft, um eine Sorge weniger zu haben.
Ein riesiger Anfangsschritt jedenfalls sei getan. „Es wäre schön, wenn wir das Geld vielleicht bis Weihnachten zusammenbekommen“, sagt sie. Im Moment gehe es in der Familie noch viel auf und ab. Noch sei ja auch nicht klar, wie es mit der Diagnose von Denyal weitergeht. „Wir wissen nicht, ob der Krankheitsverlauf in Zukunft noch schlimmer wird“, sagt Jana Rechner.
Im Moment steht aber auch die Freude über die bisher gelungene Kampagne im Vordergrund. Die ist weiter online auf dem Portal „Gofundme“ zugänglich: https://tinyurl.com/rollstuhldenyal
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