Chinesische Medizin, Osteopathische Techniken, Homöopathie, Bachblüten, ein ganzheitlicher Ansatz: „Als ich hier angefangen habe, wurde ich für meine Arbeit von vielen Kollegen eher belächelt“, sagt der Orthopäde Dr. Olaf Werner. „Als esoterischen Hokuspokus hat der ein oder andere das damals bezeichnet“, fügt der 65-Jährige hinzu.
Fast 32 Jahre ist das her. Jetzt steht der geborene Gronauer kurz vor der Übergabe seiner Praxis am Markt. Langsam und erst noch etwas widerwillig, aber sicher und inzwischen auch voller Vorfreude beginnt er, sich auf den Ruhestand vorzubereiten.
Aber noch einmal ein paar Schritte zurück. Erst an der Kreuzstraße, dann in den heutigen Räumen im zweiten Stock am Markt hat er sich 1992 niedergelassen. Und seitdem eine schier unglaubliche Zahl von Patienten begleitet: 46.000 seien es in der Zeit gewesen. Viele von ihnen hat er langjährig behandelt. Ganze Familien seien nach und nach zu ihm gekommen. Eben wegen seines ganzheitlichen Ansatzes. Was das bedeutet?
Olaf Werner erklärt: Eine Krankheit sei mehr als das offensichtliche Symptom. Schon früh befasste er sich mit chinesischer Medizin, mit viel Osteopathie und tiefenpsychologischen Ansätzen. „Viele Erkrankungen oder Leiden haben psychosomatische Ursachen“, sagt er. Ein Trauma oder eine Traumafolgestörung.
Ganzheitlicher Ansatz
Beispiel Rückenschmerzen, also im weitesten Sinn ein Problem mit der Wirbelsäule: Im Alltag neige der Mensch dazu, seine Sorgen oder Probleme wegzudrücken. Ein Phänomen, das mit der immer stärker werdenden Leistungsgesellschaft immer stärker werde. „Dafür ist der Mensch eigentlich nicht gemacht“, sagt er. An einem sehr individuellen Punkt jedenfalls könne man seine Sorgen nicht mehr wegdrücken. „Die Gefühle sind sozusagen ‚voll‘“, erklärt Olaf Werner und deutet selbst die Anführungszeichen in der Luft an.
Dann verkrampfe der Körper. Die Faszien, Bindegewebe entlang von Muskeln und Organen, würden angegriffen oder verkrampfen. Das wiederum löse dann körperliche Leiden aus. Behandle man nur die Symptome, aber nicht die Ursache, könne man dem Patienten nicht helfen.
Die eigentliche Ursache sei aber nur durch eines zu ergründen: Kontakt und Vertrauen. Eher zufällig sei er bei manchen seiner Patienten nach einem intensiven Gespräch bis zum Kern des Leidens vorgedrungen. Und das konnte auch schon einmal Zeit kosten. Dabei habe er sich immer als so etwas wie ein orthopädischer Landarzt empfunden. „So richtige Arbeit war das nie“, erklärt er fröhlich.
Gudrun Werner nickt: „Mein Mann war nie jemand, der mit der Gebührenordnung gewedelt hat oder mit der Uhr im Nacken gearbeitet hat“, sagt sie und lächelt ihren Mann an. Der führt weiter aus: Früher sei man Arzt geworden, um den Menschen zu helfen. Arbeitszeiten und Feierabend seien da eine andere Frage gewesen. Diese Art zu arbeiten sei aber nur durch seine Frau überhaupt möglich gewesen. Jahrelang hat sie ihn in der Praxis unterstützt. „Meine Frau hat mir dabei immer den Rücken freigehalten“, betont er.
Riesiger Erfolg
Genau dieser Ansatz war es wohl, der seinen Erfolg ausmachte. Aus einem großen Umkreis kamen Patienten zu ihm. Wer online diverse Portale durchsucht, findet fast nur positive Bewertungen. Einige wenige sind mit Wartezeiten unzufrieden. Die seien manchmal eben unvermeidlich gewesen.
Manche Dinge machte Dr. Olaf Werner auch komplett anders als andere Mediziner: „Ich hab mir zum Beispiel nie eine Internetseite angelegt“, sagt er. Dann wäre der Zuspruch wohl noch größer gewesen: „Und die Menschen hätten mir noch mehr die Tür eingerannt.“ Denen ist er unendlich dankbar, erklärt er.
Und um sie ist er auch über das eigene Arbeitsleben hinaus besorgt: Lange hat er einen passenden Nachfolger gesucht. Etliche Bewerber hätten nicht gepasst. Jetzt kann er seinen Patienten erklären, dass die Nachfolge gesichert ist: Dr. Jens Everding wird die Praxis zum 1. Januar übernehmen. Der sei ihm sofort sympathisch gewesen. Es habe einfach harmoniert. „Für Ahaus ist das ein Gewinn“, macht Olaf Werner deutlich.
Auch wenn jetzt einige Dinge anders laufen werden: Als einen der ersten Schritte hat Dr. Jens Everding eine Internetseite online gestellt. Dort heißt es, dass er die Praxis um neue konservative und operative Behandlungsschwerpunkte erweitern werde. Auch werde er für die Behandlung von Arbeits-/ Schul- und Wegeunfälle als Durchgangsarzt zur Verfügung stehen.
Wechsel zum Jahresende
Bis zum 13. Dezember ist die Praxis noch wie bisher geöffnet. Dann beginnt die Umbau- und Renovierungsphase. Zum 1. Januar geht die Praxis dann offiziell auf den Nachfolger über. Am 13. Januar wird die Praxis unter neuer Leitung wieder eröffnen.
Ganz trennt sich Olaf Werner aber noch nicht von seiner Wirkungsstätte. Als angestellter Arzt will er für den Übergang noch weiterarbeiten. Mit leicht reduzierter Stundenzahl und erst einmal für die nächsten eineinhalb Jahre. Also eine Art langsamer Ausstieg. „Meine Patienten sind natürlich traurig“, sagt er. Aber eben auch beruhigt, dass es in der Praxis weitergehe.
Für seinen endgültigen Ruhestand in eineinhalb Jahren macht er sich keine großen Sorgen. Da ist er sich sicher. Einerseits freut er sich auf mehr Zeit mit seinem Enkelkind. Andererseits hat er schon Erfahrung gesammelt, wie es ohne Arbeit laufen kann: „Vor 14 Jahren bin ich selbst schwer erkrankt“, erinnert sich der Mediziner. Acht Monate lang sei er komplett ausgefallen. „Aber mir wurde nicht langweilig“, sagt er. Philosophie, Geschichte, Politik – keine Minute habe er seine Bücher aus der Hand gelegt. Auch darauf freut er sich jetzt wieder.
Diesen Artikel haben wir am 7. Dezember 2024 veröffentlicht.