Zum Gesprächstermin mit der Redaktion bringt Felix Böcker seinen Ausbilder Wolfgang Bröring mit. „Ich habe angeboten, sein Joker zu sein“, erzählt der 63 Jahre alte Orthopädie-Schuhmachermeister schmunzelnd. „Doch er meinte nur: ‚Ich brauche keinen Joker, der Joker bin ich selber!‘“
Bleiben darf Wolfgang Bröring trotzdem. Wenn schon nicht als Joker, dann doch als der Mann, der Felix Böcker in den vergangenen viereinhalb Jahren auf seinem Weg zum Orthopädie-Schuhmachergesellen ganz eng begleitet hat. Und weiß, dass dieser Weg nicht unbedingt der leichteste war.

Zumindest sagt auch Felix Böcker selbst: „Es ist schon geil, jetzt Geselle zu sein. Ich hätte selbst nie gedacht, dass ich das wirklich schaffe!“ 2019 hat der heute 21-Jährige seine Lehre im Ahauser Betrieb seines Vaters Christoph Böcker („Böcker Gesunde Schuhe“) begonnen. Am 20. Januar 2024 war die praktische Gesellenprüfung, Felix Böcker bestand mit Note 2.
Zweifel im Umfeld
„Ich bin vor der Prüfung schon sehr hibbelig gewesen“, gibt der frischgebackene Geselle zu. Doch dann war er wieder in seinem Element und fertigte als Prüfungsstück ein paar orthopädische Schuhe für seine eigenen „krummen Füße“, die er auch jetzt noch stolz präsentiert.
Zu Beginn seiner Ausbildung gab es aber noch mehr Zweifel. Nicht bei den Kollegen im Betrieb, aber bei anderen Menschen aus Felix Böckers Umfeld. „Viele haben gedacht, dass ich das nicht schaffe. Ich glaube, weil sie zu sehr auf meine Behinderung geschaut haben“, sagt der 21-Jährige.
Da er mit dem Down-Syndrom lebt, stand für ihn ein „normaler“ Ausbildungsweg lange nicht zur Debatte. „Ich war auf einer Schule in Ahaus und habe da meinen Förderschulabschluss gemacht. Das waren aber nicht die besten Zeiten“, blickt Felix Böcker zurück, ohne zu tief ins Detail zu gehen.
Viel ausführlicher erzählt er von den Monaten danach. Im Berufsbildungswerk Benediktushof Maria Veen in Reken probierten er und viele andere junge Menschen mit Handicap sich in verschiedenen Berufen aus.
„Orthopädieschuhmacher war dabei, aber auch Tischler oder etwas mit Metall“, erinnert sich Felix Böcker. „Und Garten- und Landschaftsbau. Aber das habe ich gehasst wie die Pest“, lacht er.
„Tradition weiterführen“
In Reken sei es „schon eine coole Zeit“ gewesen. Allerdings habe er damals auch den Tod eines Familienmitglieds verkraften müssen und „viel geheult“.
Doch schließlich führte diese Zeit auch zu einer Entscheidung: „Ich habe mich dann dafür entschieden, die Ausbildung bei meinem Vater zu machen. Mein Opa war schließlich schon Orthopädieschuhmacher und ich will die Tradition jetzt weiterführen.“
Den Zweiflern wollte er auf jeden Fall beweisen, dass sie Unrecht haben. „Ich bin eben von Natur aus ehrgeizig. Und Aufgeben ist gar nicht mein Ding. Aufgeben kann ich bei der Post“, lacht der junge Ahauser.
So kämpfte sich Felix Böcker mitunter auch durch seine Ausbildungszeit, die in Absprache mit seinem Ausbilder um ein Jahr verlängert wurde. In der Berufsschule „herumzuhocken“ habe ihm nicht so viel Spaß gemacht. Zumal die Corona-Pandemie mit ihren Begleiterscheinungen wie Distanzunterricht das Ganze nicht unbedingt einfacher machte.

Richtig emotional wird er aber, wenn er an seine praktischen Erfahrungen im Betrieb denkt. „Das, was ich hier erlebe, ist unglaublich“, sagt der 21-Jährige und gibt mit feuchten Augen zu: „Ich bin gerade echt den Tränen nahe.“
Bester Freund als Kollege
Die Kollegen bei Böcker hätten sich alle um ihn gekümmert. „Das hat wirklich sehr gut funktioniert“, sagt Felix Böcker und schaut zu seinem Ausbilder. „Vor allem mit Wolfgang. Der kannte mich natürlich auch schon, als ich noch jung und süß war.“
Ohne die eine oder andere Reiberei sei es dann auch nicht gegangen, ergänzt Wolfgang Bröring mit einem Augenzwinkern. „Sagen wir mal so: Es gab auch schon mal lautstarke Auseinandersetzungen“, erinnert sich der 63-Jährige. Aber am Ende habe alles geklappt.
Geholfen hat da sicher auch, dass sich Felix Böcker während seiner Lehre mit den anderen Azubis im Betrieb bestens verstand. „Einer war sogar mein bester Freund aus Kindestagen, wir waren schon immer ‚Best Buddies‘“, erinnert er sich glücklich.
Und dann war da natürlich noch sein Vater Christoph Böcker. Wie war der so als Chef? „Interessante Frage“, sagt Felix Böcker und lacht. „Als Vater ist er auf jeden Fall der Beste. Kein Sohn könnte sich einen besseren Vater wünschen.“
Jeder Schuh ist individuell
Wohl auch deshalb zieht es den Neu-Gesellen erstmal nicht weg aus Ahaus und der elterlichen Werkstatt. „Ich bleibe hier mit beiden Füßen fest stehen“, sagt er bestimmt.
Die Arbeit mache „schon richtig Bock.“ Vor allem die Vorarbeiten wie Leisten- und Bettungsbau, worum sich Felix Böcker hauptsächlich kümmert. „Jeder Schuh, den wir machen, ist ja individuell“, erklärt Wolfgang Bröring. „Die Leute kommen mit einer Überweisung vom Arzt und bekommen dann eine Maßanfertigung.“
Im besten Fall also ein kreatives Handwerk mit Zukunft. Dem Felix Böcker treu bleiben will. „Ich könnte mir auch noch die eine oder andere Fortbildung vorstellen“, kündigt er an und hat auch noch eine Botschaft an diejenigen parat, die ihm vielleicht nicht immer alles zugetraut haben: „Ich bin vielleicht vieles, aber nicht bescheiden.“