Schockiert, traurig, ärgerlich – Annette Oppenlander ringt um Worte. Die Richtigen findet sie nicht. Ein zutiefst ungewohntes Gefühl für die Autorin, die seit Anfang 2022 in Averesch lebt. Die erneute Wahl von Donald Trump macht die 64-Jährige, die über drei Jahrzehnte in den USA gelebt hat, völlig sprachlos.
Es ist kurz nach 12 Uhr am Mittwoch (6. November). Annette Oppenlander sitzt an ihrem großen Küchentisch. Die Nachricht, dass Donald Trump auch die Wahlen im Swing State Wisconsin gewonnen hat, ist gerade wenige Minuten alt. „Ich hatte es befürchtet, dass er gewinnt“, sagt Annette Oppenlander. Und doch habe sie bis zuletzt gehofft, dass es nicht so kommen möge.

Das Radio ist aus. Der Fernseher auch. Ihr Smartphone hat sie zur Seite gelegt. „Ich kann diese großkotzige Art von Trump nicht ertragen“, sagt sie. Ihn jetzt auf allen Kanälen zu sehen, tue ihr regelrecht weh.
Die Wahl von Donald Trump beschreibt sie als nichts Geringeres als eine Katastrophe. Für die USA selbst, aber auch für Europa und die gesamte Welt: „Die Ukraine ist praktisch weg“, sagt sie.
Es sei wohl nur eine Frage von Tagen, bis Trump die Militärhilfe für die Ukraine streiche. Folgen seiner Wahl für die NATO mag sie nicht abschätzen. Klar scheint für sie, dass es für Europa unglaublich gefährlich werde. Weil es eben nicht mehr um internationale Diplomatie gehe. „Der Rest der Welt kommt für viele Amerikaner einfach nicht vor“, sagt sie.
Weißes Haus statt Gefängnis
Mindestens die Hälfte der Wähler habe ihre Stimme einem Kandidaten gegeben, der längst im Gefängnis sitzen müsse: „Er hat den Sturm aufs Kapitol angeheizt, er hat tausende geheime Dokumente unterschlagen, mit seinen Vorstrafen dürfte er nicht einmal wählen.“ Und das sei ja nur das, was er in den vergangenen vier Jahren getan habe. Dass die republikanischen Wähler so blind seien und auf seine Propaganda hereinfallen würden, gehe ihr einfach nicht in den Kopf.
Was allein in den vergangenen Monaten an unverhohlen offener Diskriminierung von Minderheiten geschehen sei, könne man sich kaum vorstellen. „Auch die Frauenrechte wurden und werden mit Füßen getreten“, sagt sie. Gleichzeitig werde die gesamte Verfassung in Frage gestellt. Alles werde in sich zusammen fallen.
Sie zieht Parallelen zu Deutschland zu Beginn der 1930er-Jahre und dem Erstarken der Nationalsozialisten. Trump selbst habe gesagt, dass es 2028 keine Wahlen mehr gebe. „Er ist hochgefährlich“, sagt sie.
Dabei gehe es aber gar nicht um die Person. „Trump ist nur ein Werkzeug“, fügt sie hinzu. Die republikanische Bewegung hinter Donald Trump, die Erzkonservativen und Evangelikalen, die Hetzer und Rassisten hätten sich seit Jahrzehnten langsam in Stellung gebracht. „Schon seit Ronald Reagan“, sagt sie. Also seit der 1981 Präsident war.
1987 war Annette Oppenlander in die USA ausgewandert. Direkt nach dem Studium. Kurze Zeit später lernte sie dort ihren Mann Ben (heute 72) kennen. Gemeinsam zog das Paar drei Kinder groß, lebte in verschiedenen US-Staaten.
Zuletzt im erzrepublikanischen Indiana. Nach Trumps erstem Wahlsieg 2016 hatte sie mit ihrem Mann den Plan gefasst, die USA zu verlassen. 2017 zogen die Oppenlanders nach Deutschland. „Weil wir Angst hatten, was passieren würde. Und uns sicher waren, dass es nicht gutgehen würde.“
Schließlich richteten sie sich auf dem ehemaligen Hof in Averesch ein. Erst mit Kindern, dann allein. Ein herrliches Fleckchen Erde, an dem sie sich rundum wohlfühle. „Wenn man nur alles andere ausblenden könnte“, sagt sie und wirkt ehrlich verzweifelt.
Düsterer Blick in die Zukunft
Jetzt also die Wiederwahl. Annette Oppenlander sieht die Zukunft in düsterem Licht. „Amerika war einmal das Leuchtfeuer der Demokratie“, sagt sie. Davon sei nur noch ein Scheiterhaufen übrig. „Selbst wenn die Menschen in ein paar Jahren merken, dass es die falsche Wahl war, ist es dann zu spät“.
Eins ihrer Kinder lebt noch in den USA. Auch das plane seit einiger Zeit, nach Deutschland auszuwandern. „Das werden wir jetzt wohl beschleunigen“, sagt sie.
Eigentlich halte sie fast täglichen Kontakt in die USA. Hat amerikanische Medien abonniert, steht im regen Kontakt mit Freunden von früher. Für die kommenden Tage will sie sich ein Nachrichtenverbot geben. Auch die Wahlnacht habe sie nicht live verfolgen wollen.
„Ich ertrage das einfach nicht“, sagt sie. Natürlich habe sie gewählt. Nicht Trump. Aber durch das amerikanische Wahlsystem habe ihre Stimme an ihrem ehemaligen Wohnort ja kein Gewicht.
Von Freunden und Bekannten in Kalifornien habe sie schon gehört, dass sie im Falle von Trumps Wahlsieg ebenfalls auswandern wollen. Sie kenne auch Paare, bei denen die Frau Demokratin und der Mann Republikaner sei oder umgekehrt. Wie es denen im Moment gehe, mag sie sich gar nicht vorstellen.
„Manchmal möchte man ein Hund sein“, sagt sie kopfschüttelnd und krault den zwölf Wochen alten Welpen Archie auf ihrem Schoß. „Einfach da sitzen und sich um nichts kümmern oder sorgen müssen.“
Diesen Artikel haben wir am 6. November 2024 veröffentlicht.