
© Johannes Schmittmann
Die Ahauser Innenstadt erwacht nach Corona-Pause zum Leben
Coronavirus
Die Geschäfte in Ahaus dürfen seit Montag zu einem großen Teil wieder öffnen. Bei strahlendem Sonnenschein zog es viele Menschen in die Innenstadt. Das Leben ist zurück.
Montagmorgen, 20. April 2020: Eine Stadt erwacht langsam zum Leben. Nach einer wochenlangen Pause dürfen auch in Ahaus Geschäfte mit einer Grundfläche von weniger als 800 Quadratmetern wieder ihre Türen öffnen. Unter strengen Auflagen, versteht sich. Der Ansturm, der von Kritikern der Lockerungsmaßnahmen befürchtet wurde, bleibt zumindest am Vormittag aus.
Noch zögerlich betreten die Menschen die Geschäfte; halten am Eingang inne, lesen eines der zahlreichen Hinweis-Schilder, halten den gebotenen Abstand von wenigstens 1,5 Metern. Die Empfehlung der Bundesregierung, in der Öffentlichkeit Masken zu tragen, befolgen nur wenige Kunden. Auf der anderen Seite des Tresen sieht das anders aus. Fast überall tragen die Verkäuferinnen und Verkäufer einen Mundschutz - manche sind selbst genäht, andere industriell gefertigt.
Einzelhändler haben vorgesorgt
Auch Silvia Kurtz hat vorgesorgt. Die Inhaberin von „Princessa Accessoires“ trägt am Montag weiße Stoffhandschuhe. Ihre Maske hat sie ebenfalls immer griffbereit. Im Eingangsbereich stehen mehrere Flaschen Desinfektionsmittel, über der Kasse hängt eine Plexiglasscheibe. Obwohl sich Silvia Kurtz freut, ihren Laden wieder öffnen zu können, sagt sie auch: „Ein mulmiges Gefühl hat man schon. Die Gefahr, sich und andere zu infizieren, ist ja weiterhin da.“

Silvia Kurtz, Inhaberin von Princessa Accessoires, freut sich, dass sie ihr Geschäft wieder öffnen darf. Ein mulmiges Gefühl bleibe aber. © Johannes Schmittmann
Alles in allem überwiege aber die Erleichterung: „Die Stammkunden wiederzusehen, ist einfach schön. Man merkt, dass es ihnen genauso geht und sie an einen gedacht haben. Davon lebt der Einzelhandel.“ Mitgefühl statt Mitleid. Was die wirtschaftliche Lage betrifft, bleibt Silvia Kurtz pessimistisch: „Die riesigen Einnahmen wird es vorerst nicht geben. Die Ansage heißt ja auch weiterhin: ‚Bleibt zu Hause!‘“
Reisebranche trifft es hart
Von ausbleibenden Einnahmen können ihre Nachbarn im Reisebüro Weilke ein Lied singen. „Das sind bisher nur Gerüchte. Sie müssen leider noch ein wenig Geduld haben. Wir wissen auch noch nicht mehr“, sagt Mitarbeiterin Marlies Rings freundlich zu einem Anrufer am Telefon. Als sie nach mehreren Minuten auflegt, sagt sie: „Das könnte man in Dauerschleife laufen lassen.“ Solche Gespräche müssen sie und ihre Kolleginnen seit Wochen führen.

Auch im Reisebüro Weilke öffneten wieder die Türen. © Johannes Schmittmann
„Die Ungewissheit macht den Leuten zu schaffen. Sie wollen wissen, ob sie im Sommer verreisen können oder umplanen müssen“, sagt Rings. Das könne sie gut verstehen, allerdings seien ihnen weitgehend die Hände gebunden: „Auch wir können nicht weiter planen als bis zum 3. Mai. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Reisen danach wieder starten, aber vom Gesetzgeber gibt es noch keine klare Ansage.“
Wie hart der Einschnitt für die Reisebranche sein wird, kann aktuell noch keiner absehen. Marlies Rings erklärt: „Die Osterferien sind schon ins Wasser gefallen. Im Mai stünden nur viele umsatzstarke Mannschafts- und Clubfahrten an. Wenn das alles storniert werden muss, bricht viel weg.“ Allerdings gebe es auch Ausnahmen. „Die ersten Stammkunden haben schon wieder Urlaub für November gebucht“, sagt sie und lacht. Allgemein sei es schön, wie viele Kunden des Reisebüros einfach nur kurz vorbeischauen und „Hallo“ sagen würden.
Nach dem Mittag füllt sich die Innenstadt
Nach dem Mittag füllt sich die Innenstadt merklich. Die Temperaturen steigen, der Wind legt sich etwas. Vor dem Schloßcafé San Remo bildet sich eine kleine Schlange. Auch bei Profil Menswear haben die Mitarbeiter von Store Manager André Schroer immer mehr zu tun. „Damit habe ich heute Morgen nicht gerechnet“, sagt er. „Aber den Leuten ist zu Hause glaube ich die Decke auf den Kopf gefallen.“

André Schroer, Store Manager bei Profil Menswear, glaubt nicht, dass bis zum Ende des Jahres im Einzelhandel wieder Normalität eintreten wird. © Johannes Schmittmann
Dieser erste kleine Ansturm könne aber nicht im Ansatz auffangen, was durch die Corona-Krise weggebrochen sei. „Einen großen Teil unseres Umsatzes generieren wir durch festliche Kleidung für Abibälle, Kommunion, Schützenfeste oder Hochzeiten. Das fällt alles weg“, sagt Schroer. An eine Rückkehr zum regulären Betrieb glaubt er in diesem Jahr nicht mehr: „Das wäre schon ein kleines Wunder.“
Einige Geschäfte bleiben geschlossen
Während bei einem Großteil der Geschäfte zumindest wieder erste, kleinere Umsätze generiert werden können, bleiben in manchen Geschäften auch am Montag die Türen geschlossen - aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Das Kaufhaus Berken und Steingrube Moden überschreiten zum Beispiel jeweils die 800-Quadratmeter-Grenze und dürfen daher aus rechtlichen Gründen nicht öffnen. Bei Steingrube hat man schnell reagiert und in direkter Nachbarschaft einen kleinen Shop eröffnet, in demder Betrieb auf Sparflamme am Laufen gehalten wird. Bei Weltbild lässt man sich hingegen freiwillig noch etwas Zeit. „Bevor wir öffnen, wollen wir uns gut vorbereiten“, heißt es in einem Aushang. Das Leben ist in Ahaus zurück, doch von Normalität ist die Stadt noch weit entfernt.
1991 in Ahaus geboren, in Münster studiert, seit April 2016 bei Lensing Media. Mag es, Menschen in den Fokus zu rücken, die sonst im Verborgenen agieren.
