Wenn es bei Paul Silder klingelt, sind seine Hunde schon zur Stelle. Die vier Eurasier, berichtet der 71-Jährige, nähmen schon Fußgänger auf dem Bürgersteig vor dem Haus wahr. Die 12 Jahre alte Dina bellt, weil der Besuch ihr nicht bekannt ist. Später, beim Gespräch vor dem Kamin, sitzt sie ruhig an Silders Bein. „Sie ist die Chefin und jetzt soll ich das übernehmen“, sagt Silder. Er verrät ihren Nachnamen: „van Moorvreugd“, Moorfreude auf deutsch.
Fiete (2), der Jüngste, ist zwischendurch etwas frech, knabbert an Schuhen und Hosen. Silder und sein Partner haben ihn zurückgenommen, weil es ihm woanders nicht gut ging. Fiete habe da auch die Hundeschule geschwänzt, sagt Silder. Mit den anderen ist er für jeweils zwei Jahre zum Hunde-Treff in Gescher gegangen. Auch mit Fiete war er jetzt schon ein paarmal da, zuerst im Einzelunterricht, dann in der Gruppe. „Er macht Fortschritte“, freut sich Silder. Noch will der junge Hund auch Chef sein. Silder und auch Dina, Fietes Großmutter, machen ihm aber klar, dass er das Amt noch nicht zu übernehmen braucht. Silder ist da ein Fan von klaren Ansagen.

Wie Silder Zuchtrichter wurde
Der Künstler, ausgebildet in Enschede, London und Amsterdam, hat viel von den Hunden und auch über die Hunde gelernt. Er sagt, als Hundehalter „muss man verliebt darin sein, die Tiere zu beobachten.“ Bei ihm fing das in seiner Kindheit im kleinen Ootmarsum (Niederlande) mit einem Spitz an, mit dem er auch während seiner Ausbildung oft am Wochenende spazieren war. Sein Vater war Dorfbäcker. Beim Austragen der Brote habe er auch andere Hunde im Dorf gut kennengelernt.
Jetzt geht er mit den vier Hunden dreimal täglich in die Natur, zu Fuß und mit dem Rad. Fiete begleitet ihn auch im Haus überall hin, auch beim Malen in seinem Atelier ist der Hund dabei. Silder genießt dieses Leben mit den Hunden.

Seine Liebe für Eurasier begann, als sein Partner und er die Eurasier-Hündin Herta zu sich nahmen. Das ist lange her, gut 25 Jahre. Silder hat sich damals richtig in das Thema hinein gekniet. Zwei Jahre lang lernte er wöchentlich, immer samstags, an der Universität in Utrecht, was ein Zuchtrichter können muss. Tierärzte lehrten zur Anatomie, zur Züchtung, zu den Eigenschaften verschiedener Rassen. Als Absolvent musste Silder Hunde verschiedener Rassen nach den Zuchtkriterien beurteilen.
Dabei geht es nicht nur darum, in sechs Minuten die Hunde auf Aufstellungen nach ihrer Schönheit zu beurteilen. „Man möchte die Rasse voranbringen und achtet darauf, dass Inzucht vermieden wird“, sagt Silder. Wenn er Besitzern das Urteil mitteile, müsse er manchmal behutsam sein. Die Richter geben dabei auch vor, welche Eigenschaften die jeweiligen Paarungspartner haben sollten, damit ungewollte Merkmale nicht weitergetragen werden. Zuchtwarte für die Rassen haben jeden Wurf im Blick.
Eurasier: Rasse aus den 60ern
So gibt Silder auch an die Zuchtwartin durch, dass Fietes Schwester Dolly (5) tragend ist. In Dülmen hatte er für die Hündin einen passenden Partner gefunden und weil er ihr ansah, dass sie läufig war, ihn auch genau zum rechten Zeitpunkt besucht. Die Linie van Moorvreugd begann Silder nach Herta. Da wusste er als ausgebildeter Zuchtrichter schon einiges mehr über die Eurasier-Rasse und hat Dina ausgesucht, weil sie eine schöne Hündin dieser Rasse war. Ihre Tochter Bessie (9) wohnt auch bei Silder und ist die Mutter von Dolly und Fiete.
Zum Rassestandard der Eurasier gehört zum Beispiel die dichte Unterwolle, das mittellange Grannenhaar, ein für den Trab angepasstes Körpergebäude, ein vollständiges Gebiss und die aufliegende Rute. Ab den 1960ern wurde die Rasse als familienfreundlicher Schlittenhund aus Spitz, Chow Chow und dem sibirischen Samojeden gezüchtet. Den Anstoß dazu gab Konrad Lorenz. Seit 1973 ist die Rasse international anerkannt.

Silder ist für die Eurasier als Zuchtrichter schon weit gereist: in die Schweiz, nach Schweden und nach Kanada. Dort gab es noch gar nicht so viele Eurasier. Gerade deshalb freut sich Silder, seine Beauty dorthin vermittelt zu haben. Sie ist so zur „Urmutter“ vieler kanadischer Eurasier geworden. Bei der Vermittlung seiner Hunde ist ihm wichtig, dass die neuen Besitzer Zeit und ein Auge für die Tiere haben und „100-prozentig für den Hund da sind.“