Christian Jung und Rosinante sind bereit: Am Donnerstagmorgen geht es für den 55-Jährigen und sein treues Stahlfahrrad von Alstätte auf den Weg längs durch Afrika. Bis September 2024 hat sich der Intensiv-Krankenpfleger dafür Zeit genommen. Ganz allein. Die Route, die Umstände, das Ziel – das wird sich alles zeigen.
„Ich plane nicht so weit voraus“, sagt er am Mittwoch in seinem Alstätter Elternhaus. Eine Erkenntnis aus vergangenen Reisen. Das Hier und Jetzt sei das Entscheidende. „Egal ob an einem heftigen Anstieg, an einem regnerischen Abend im Zelt oder im Alltag: Heute ist heute, gestern ist vorbei und morgen kommt erst morgen“, sagt er. Eine Art Lebensmotto, das sich auf seinen bisherigen Radreisen gefestigt hat. Tausende Kilometer ist er schon durch Asien und Europa gefahren.

„Ich weiß natürlich, dass ich dafür auf Dinge verzichten muss“, fügt er hinzu. Eine eigene Familie hat er nicht. Genau wie ein Eigenheim. „Und mir ist klar, dass ich mich in der Rente einschränken werden muss“, fügt er hinzu. Die Jahre, die er unterwegs ist, zahlt er bei aller Sparsamkeit natürlich nicht in die Rentenkasse ein. „Aber das ist es mir wert“, erklärt er. Auch wenn er bei Freunden und Bekannten schonmal neidisch über den Gartenzaun schaue.
Zuhause und unterwegs in der Balance
Dabei sind die Reisen kein Flucht vor dem Alltag: „Ich genieße es, zuhause zu sein. Kultur, Theater, Konzerte oder Freunde zu besuchen. Aber irgendwann zieht es mich wieder ‚raus“, erklärt er. Die Balance sei das Wichtige: Unterwegs mit dem Rad sei die Geschwindigkeit das Entscheidende: „Das Unterwegssein zwischen zwei Punkten, die unkomplizierte Art zu reisen, die Begegnungen unterwegs, die körperliche Anstrengung – davon lebt die Reise. Das bringt mir viel Frieden, Zufriedenheit und innere Ruhe. Das ist wie eine Meditation.“

Das Geld dafür spart der geborene Alstätter im Alltag. „Ich arbeite als Intensiv-Krankenpfleger in einem Zeitarbeitsunternehmen. Im Moment in Berlin“, sagt er. Der Arbeitsmarkt sei so leergefegt, dass er sich um die Zukunft keine Sorgen mache. Auch wenn er jetzt erst einmal für ein Jahr die Arbeit komplett ruhen lasse. „Ich habe auch schon als Tauchlehrer in Asien und Ägypten gearbeitet, war als Katastrophenhelfer für die Kindernothilfe in Indonesien und Haiti. Es gibt immer eine Alternative“, sagt er. Nichts stehe unverrückbar fest. Alles lasse sich ändern.
Auch wenn Rad und Ausrüstung mit einigen Tausend Euro zu Buche geschlagen sind, haben sich die Ausgaben bewährt: „Das Rad hab ich seit 2015, einen Teil der Taschen seit 1999“, sagt er und deutet auf die Ausrüstung. Die Kosten für die Reise selbst seien recht überschaubar: „Ich zelte, koche selbst, lebe sparsam. Mit zehn Euro am Tag komme ich aus“, sagt er.
Verwandte haben sich gewöhnt
Und die Reaktionen von Verwandten und Bekannten? Was halten seine Mutter und die Geschwister von der durchaus gefährlichen Route? „Die haben sich alle daran gewöhnt“, antwortet er fröhlich. Natürlich würden auch viele mit Unverständnis oder größeren Zweifeln reagieren. Hier in der alten Heimat in Alstätte genauso wie in Berlin, wo er seit einigen Jahren wohnt. Unter anderen Radfahrern auf einer Tour stoße er noch auf Erstaunen. Schon auf der Herfahrt von Berlin: „Die Leute waren erstaunt, wenn ich ihnen gesagt habe, dass ich bis Südafrika fahren will“, sagt er. Die alte Nachbarschaft in Alstätte habe schon mit großen Fragezeichen im Gesicht reagiert. „Da stehe ich drüber. Ich mache das ja für mich und nicht für andere“, sagt er.
Macht er sich also gar keine Gedanken? „Doch“, sagt er. Eine gesunde Angst und eine Portion Bauchgrummeln gehören natürlich dazu. Wie vor jeder seiner Reisen. „Ich habe keine Ahnung, wie die Tierwelt in Afrika reagiert. Ich weiß auch nicht, wie kulturelle oder politische Verhältnisse sich noch verschieben“, fügt er hinzu. Dazu will er sich vor Ort Informationen einholen und Netzwerke mit anderen Reisenden bilden.

Und: „Bisher war in allen Ländern, die ich bereist habe, der Straßenverkehr das mit Abstand Gefährlichste.“ So nennt er dann auch seinen kleinen Rückspiegel als wichtigste Lebensversicherung.
Rad und Ausrüstung sind auf Haltbarkeit ausgelegt. Kein Schnickschnack, kein Luxus. 25 bis 30 Kilo wiegt die komplette Ausrüstung. Bis zu 20 Liter Wasser kommen noch dazu. Gerade in der Wüste sei das aber schon das untere Minimum und knapp kalkuliert. „Waschen fällt dann im Zweifel mal aus, bis einem das Salz aus dem T-Shirt rieselt“, sagt er lachend. Er weiß, wovon er spricht.
60.000 Kilometer mit einem Rad
60.000 Kilometer hat er auf dem Rad bisher abgespult: Von 2017 bis 2019 bis nach Indonesien, nach Ausbruch der Pandemie „nur“ noch durch Europa: Durch Polen, die Bretagne, die Atlantikküste entlang bis nach Faro im Süden Portugals. „Das war letztes Jahr, da war Afrika zum Greifen nahe“, sagt er. Zwischen 60 und 80 Kilometer pro Tag sei er im Durchschnitt unterwegs. „Das liegt aber auch immer daran, was unterwegs passiert. Mal sind es auch nur zehn Kilometer“, sagt er.
Jetzt also der neue Plan. Das Bauchgrummeln werde sich legen, sobald er wieder unterwegs ist. Zwei Vorgaben machen ihm die Jahreszeiten: „Ich muss im Winter durch die Sahara und will vor der Regenzeit durch Westafrika durch sein“, sagt er. Die beginnt im Mai.
Und wenn er dann wieder zurück ist? „Die Welt ist groß. Ich will noch viel sehen. Genug Pläne habe ich – wenn die Gesundheit mitspielt.“
- Über seine Reise will Christian Jung online einen Blog schreiben. Dafür hat er sich eine eigene Seite eingerichtet: www.cycle-east.de. Dort sind auch seine bisherigen Reisen erfasst.
- Gleichzeitig will er während der Tour auch Spenden für die Kindernothilfe sammeln. Auch die Kampagne wird er in Kürze dort verlinken.
Mini-Lkw kippt am Ahauser Friedhof um : 14-jähriger Praktikant lebensgefährlich verletzt
Gartenhütte in Wessum in Flammen: Wohnhäuser waren durch Feuer bedroht
Schuss auf Fluchtauto und Verfolgungsjagd: Halsbrecherische Flucht endet mit milder Strafe