Der Bundesrat hat das Gesetz gebilligt, wenn jetzt noch der Bundespräsident unterschreibt, kann die Cannabis-Legalisierung zum 1. April in Kraft treten. Gibt es am Ahauser Amtsgericht deswegen bald nichts mehr zu tun? Schließlich ist die Entlastung der Justiz eins der großen Argumente für das Gesetz gewesen.
Amtsgerichtsdirektor Benedikt Vieth winkt ab. „Erst einmal kommt eine Menge mehr Aufwand auf uns zu“, sagt er. Das Problem ist der rückwirkende Straferlass. Alle rechtskräftigen Verurteilungen, die mit Cannabis zu tun haben und die noch nicht oder noch nicht vollständig vollstreckt wurden, müssen neu geprüft werden.

Und gerade solche Fälle, bei denen Gesamtstrafen wegen mehrerer Delikte gebildet wurden, müssten komplett neu bewertet werden. Wieviel Zeit das pro Fall kostet und wie lange das Amtsgericht insgesamt damit beschäftigt ist, mag Benedikt Vieth an diesem Dienstagmittag nicht abschätzen.
Das liege eben auch ganz bei den einzelnen Fällen. Klar ist, dass jede Akte einzeln geprüft werden muss. Zusätzlich zum normalen Alltagsgeschäft. „Das kommt ja jetzt erstmal on top“, macht er deutlich.
Prüfung im Jugendstrafrecht
Das trifft das Amtsgericht zwar erst einmal „nur“ bei Jugendstrafsachen, aber auch das seien schon rund 150 Verfahren, die neben der täglichen Arbeit erneut komplett geprüft werden müssten. Für die Prüfung der Verfahren nach Erwachsenenstrafrecht ist zunächst einmal die Staatsanwaltschaft zuständig.
Bei der Prüfung der Fälle gehen natürlich solche Verfahren vor, in denen eine Haftstrafe im Raum stehe. Damit niemand hinter Gitter kommt, der dort nach der neuen Gesetzeslage nicht hingehört. Geldstrafen oder Verurteilungen zu Sozialstunden kommen erst danach. „Wir können ja nicht alles gleichzeitig bearbeiten“, sagt Benedikt Vieth. Denn natürlich gebe es durch das neue Gesetz nicht auch neue Sachbearbeiter.
Doch selbst für die Zeit nach dieser ersten Phase sieht Benedikt Vieth noch eine Menge Fragezeichen. Auch bei neuen Verfahren mag er noch nicht abschätzen, ob es durch das Gesetz tatsächlich weniger Fälle wegen Betäubungsmitteln geben wird: „Schon jetzt ist die Zahl der Verfahren, in denen es um relativ geringe Mengen von Cannabis geht, ja relativ überschaubar“, sagt er.
Alle anderen Verfahren – die wegen anderer Drogen oder die wegen größerer Mengen – gebe es ja weiterhin. Dazu komme dann noch eine für ihn nicht zu beziffernde Menge von Ordnungswidrigkeitsverfahren: Sei es bei Fragen zu den Anbauvereinigungen, bei unterschrittenen Mindestabständen beim Konsum oder auch bei möglichen Verkehrsdelikten.
Auswirkungen sind noch offen
Natürlich sei das vorrangig ein Problem für die Ermittlungsbehörden. Dennoch bekomme früher oder später ja auch das Amtsgericht mit solchen Vorgängen zu tun.
„Gerade wird ja noch daran gearbeitet, wie Grenzwerte im Straßenverkehr aussehen könnten“, sagt er. Das alles sei noch völlig spekulativ: Einerseits, weil ja noch gar nicht klar sei, wie die Menschen mit Cannabis umgehen, wenn es dann legalisiert ist. Andererseits aber weil eben auch noch nicht klar sei, was und wie geahndet werden soll. „Wir können die Auswirkungen schlicht noch nicht abschätzen“, macht er deutlich. Frühestens ein oder zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes könne er dazu wohl etwas sagen.
Ausdrücklich will er die Gesetzesänderung nicht kommentieren. Natürlich habe er dazu eine persönliche Meinung, die behalte er aber für sich. Als Direktor des Amtsgerichts vertrete er die Sichtweise der Justiz. Und deren Aufgabe sei es, mit der aktuellen Gesetzeslage zu arbeiten. „Wir nehmen sie so, wie sie kommt“, macht er deutlich.