Die Nadel in den Arm und zurücklehnen. Für Manfred Gevers ist dieser Nachmittag in Vreden völlige Routine. Eigentlich könnte der Ottensteiner so eine Blutspende schon komplett selbst erledigen. Zum sage und schreibe 222. Mal legt er sich gerade auf die Liege im Blutspendemobil des Deutschen Roten Kreuzes. 111 Liter Blut hat er insgesamt durch eine Nadel in den Beutel fließen lassen.
„Mein Vater hat immer schon Blut gespendet“, erklärt der 70-Jährige. Als er selbst 18 geworden sei, habe er dann direkt angefangen, auch Blut zu spenden. 1972 sei das gewesen. Damals war das nur einmal im Jahr möglich. Nach und nach hätten sich dann die Regeln geändert. Inzwischen sei das bis zu sechs Mal möglich. „57 Tage müssen zwischen zwei Spenden liegen“, erklärt der Spendenprofi. Und genau daran hält er sich, hat die möglichen Spendentermine sogar im Kalender markiert. Dieses Jahr habe er allerdings im Januar den Termin nicht geschafft. Deswegen seien es in diesem Jahr auch nur fünf Termine für ihn.

Ein einziges Mal habe ihn der Arzt abgewiesen. Weil ein Blutwert leicht abgewichen war. Nichts Ernstes, aber für die Spenden gelten eben klare Regeln. Sonst war Manfred Gevers so oft es ging da. Nicht, weil es für ihn eine Pflicht wäre. „Es geht um die gute Sache und ich kann Menschen helfen, die das Blut gut gebrauchen können“, sagt er. Außerdem sei das Essen nachher immer gut.
Als ihm die Nadel kurze Zeit später nach seiner 222. Spende wieder aus dem Arm gezogen wird, verzieht er keine Mine. „Natürlich fühle ich mich jetzt etwas schlapp“, sagt er. Schließlich fehle ihm ein halber Liter Blut. „Morgen früh bin ich wieder topfit. Spätestens“, sagt er.
Einen festen Spendenort hatte er lange nicht. Mal in Ottenstein, mal in Alstätte oder Ahaus oder Vreden. Da sei er nie wählerisch gewesen. Einmal habe er sogar stundenlang in einer kleinen Grundschulturnhalle darauf gewartet, dass er seine Spende leisten konnte. Weil er sich das für den Tag damals fest vorgenommen hatte. Und das war ganz klar Prinzip.
Seit einigen Jahren kommt er regelmäßig nach Vreden. Dort sei an jedem ersten Donnerstag im Monat Blutspende am DRK-Heim. Und das passe gut in seinen Rhythmus. „Und ist von Ottenstein ja auch ganz gut zu erreichen“, sagt er mit einem Lächeln.
Gesund alt werden
Sein Vorbild sei früher eine ältere Frau beim Deutschen Roten Kreuz in Ahaus gewesen. Über 90 sei die geworden – und dabei kerngesund geblieben. „Die hat immer gesagt, dass das an ihren regelmäßigen Blutspenden gelegen hat“, erinnert sich Manfred Gevers. Und das will er auch. Also gesund alt werden.
Stephan David Küpper, Pressesprecher beim Blutspendedienst West im Deutschen Roten Kreuz, entfährt erst einmal eine laute Bewunderung, als er von Manfred Gevers‘ Spendenanzahl hört. „Also alles jenseits der 200 ist schon sehr selten“, sagt er. Das passiere nicht so oft. Dass jemand dann immer noch weiter mache, sei noch seltener. Und damit sei Manfred Gevers schon so etwas wie ein Super-Spender.

Gut für den Blutspendedienst: Denn das Alter von Manfred Gevers sei ein Dilemma, vor dem der Blutspendedienst immer wieder stehe: Ältere, langjährige und regelmäßige Spender erreichen irgendwann ein Alter, in dem sie nicht mehr so regelmäßig spenden können oder wollen. „Um so einen Spender dann aber zu ersetzen, bräuchten wir rechnerisch im Durchschnitt schon zweieinhalb jüngere Menschen“, sagt Stephan David Küpper. Die Veränderung sei spürbar: Ältere Spender, die verlässlich und über einen langen Zeitraum zu den Blutspendeterminen gehen, werden weniger. Weniger junge Spender rücken nach.
Gleichzeitig steige die Nachfrage. Durch neue Therapien, neue Anwendungsbereiche. „Für viele Operationen wird heute deutlich weniger Blut gebraucht als früher“, sagt er. Etwa weil sich die Verfahren verändert haben, weil per Endoskop und minimalinvasiv operiert werde. Dafür werde immer mehr Blut beispielsweise in der Onkologie für die Behandlung von Krebspatienten genutzt. Eine Blutspende werde ja schon seit Jahrzehnten nicht mehr eins zu eins an einen Empfänger weitergegeben. „Das gab es in den 1950er-Jahren noch“, sagt Stephan David Küpper. Seither werden die Spenden in ihre Bestandteile zerlegt und kommen so unterschiedlichen Patienten zugute. „Von einer Blutspende profitieren bis zu drei Empfänger“, erklärt er. Entsprechend steige deren Bedeutung.
Spenden werden dringend gebraucht
Und umso dringender werden Spenden gebraucht. Auch wenn die Spendenbereitschaft im ganzen Münsterland noch vergleichsweise gut aussehe: „Gerade im ländlichen Raum gehört es anscheinend noch dazu, dass man zur Blutspende geht“, sagt der Pressesprecher. Im Münsterland sei die Welt noch in Ordnung.
Manfred Gevers macht erst einmal weiter. Als Ziel habe er sich einmal 225 Spenden gesetzt. Nicht, dass er dann gar nicht mehr spenden will. „Aber ich will etwas kürzertreten“, sagt er. Vielleicht noch zwei oder drei Mal im Jahr spenden. Unregelmäßiger. Gar nicht mehr zu spenden, kommt für ihn überhaupt nicht infrage. „Man liest es doch ständig, dass Blut gebraucht wird“, sagt er. Außerdem gehörte die Blutspende einfach dazu.