Mitte Juni ist Schluss. Am Samstag, 15. Juni, wird Diethelm Banken sein Fachgeschäft für Augenoptik und Uhren im Alstätter Ortskern zum allerletzten Mal abschließen. Es geht nicht anders.
„Ich verpasse mein 30-jähriges Firmenjubiläum um acht Wochen“, sagt er missmutig. Das sei keine leichte Entscheidung gewesen. Aber eine unausweichliche: Seit 1994 führt er das Familienunternehmen, das sein Urgroßvater als Uhrmacherei in Alstätte gegründet hatte. Zunächst hatte Diethelm Banken sich auf Augenoptik spezialisiert, dann Uhren und Schmuck mit ins Angebot genommen.
2012 zog das Unternehmen von der Gronauer Straße an die jetzige Adresse an die Kirchstraße, mitten in den Ortskern. Im Nachhinein die richtige Entscheidung: Der Einzelhandel an der Gronauer Straße war schon länger auf dem absteigenden Ast. Im Ortskern gab es auch durch die Läden in der Nachbarschaft jede Menge Laufkundschaft. Und bis Mai 2023 sei auch alles wunderbar gelaufen.
Dann bekommt Diethelm Banken eine lebensbedrohliche Diagnose. Eine, die er inzwischen zwar zum Glück überstanden hat, die ihn aber weiter stark beeinträchtigt. Öffentlich möchte er nicht zu sehr ins Detail gehen. Klar sei nur, dass er noch mindestens zwei Jahre mit eingeschränkten Öffnungszeiten hätte arbeiten müssen.
„Und dann fragt man sich eben schon, ob das noch geht und was man noch vom Leben haben möchte“, erklärt er. Klar: Als Inhaber sei man eigentlich immer und ständig im Laden. Auch während des Gesprächs mit unserer Redaktion stehen mehrfach Kunden vor der Tür, die er trotzdem noch bedient. Obwohl nachmittags eigentlich nicht mehr geöffnet ist. „Auf dem Dorf geht das gar nicht anders“, sagt Dagmar Rundmund-Banken. Da werde einem jeder Reparaturauftrag auch zwischendurch in die Hand gedrückt.
Lange Jahre hat sie mit im Laden an der Kirchstraße gearbeitet. Inzwischen ist sie in einem Unternehmen im Nachbarort angestellt. Auch sie könne die ausgefallenen Stunden nicht auffangen. „Das hat während der Krankheit irgendwie funktioniert, aber auf Dauer ist das keine Lösung“, erklärt sie.
Lösung für Kunden ist geplant
Ein halbes Jahr hat sie freitagnachmittags und samstagmorgens die Tür offen gehalten. Neben ihrer eigentlichen Arbeit. „Die Leute haben das mitgemacht und uns die Treue gehalten“, sagt sie dankbar. Doch nun habe man sich anders entschieden.
„Auch wenn es traurig ist, aber hier wird wohl ein neuer Leerstand entstehen“, sagt Dagmar Rundmund-Banken. Auch wenn die Grundversorgung im Alstätter Ortskern nach und nach einfach wegrutsche, es sei schlicht nicht anders machbar. Auch jetzt wollen sie die Kunden nicht im Regen stehen lassen, sondern sie zu einem Kollegen vermitteln. Aber der sitzt natürlich nicht in Alstätte, sondern in Ahaus. „Es soll eine Lösung geben“, erklärt Diethelm Banken.
„Ich finde das alles andere als lustig“, fügt er hinzu. Aber er habe keine neuen Mitarbeiter finden können. „Unter den Augenoptikern gibt es keine Arbeitslosen“, sagt er. Ganz zu schweigen von einem potenziellen Nachfolger, der oder die sich vorstellen könnte, sich mit dem Laden in Alstätte selbstständig zu machen. „Die jungen Leute wollen weder sechs Tage pro Woche im Laden stehen noch das Risiko tragen“, erklärt er. Das sagt er ohne Vorwurf in der Stimme. Aber er habe eben alles versucht. Über Bekannte, über die Innung, über diverse Kreise. Auch die eigenen beiden Kinder hätten beruflich einen ganz anderen Weg eingeschlagen. „Dazu kann man sie nicht zwingen“, sagt er.
Mit der Schließung geht auch ein selten gewordenes Stück Handwerk verloren. „Ich habe die Gläser für die Brillen noch selbst eingeschliffen“, sagt Diethelm Banken. Andere Unternehmen würden Gläser und Gestelle dafür einschicken. Entsprechend schnell konnten Kunden bei ihm bedient werden.
Viele Anekdoten bleiben lebendig
Vor ein paar Jahren sei das beispielsweise für einen LKW-Fahrer von außerhalb ein riesiges Glück gewesen. „Der stand hier zu Weihnachten vor der Tür, mit einer kaputten Brille“, sagt Diethelm Banken. Mit den zerbrochenen Einzelteilen der Brille verschwand er damals in der Werkstatt und hatte die Gläser kurze Zeit später zu einer neuen Brille umgebaut. Der Fahrer konnte wieder hinters Lenkrad steigen und kam noch pünktlich zum Weihnachtsfest wieder nach Hause. „Ohne Brille hätte der keinen Meter fahren können“, sagt Diethelm Banken und muss lächeln. Eine ganze Reihe solcher Anekdoten hat sich über die vergangenen Jahrzehnte angesammelt.
Für Diethelm Banken soll der berufliche Weg mit der Schließung auch nicht enden. Bei einem befreundeten Unternehmen in Ahaus will er stundenweise arbeiten.
Vorher steht aber erst einmal ein radikaler Ausverkauf an. Bis zum 15. Juni will der Unternehmer von der Schaufensterdeko über den Lagerbestand bis zu den optischen Spezialgeräten alles verkaufen. Der Räumungsverkauf beginnt am 2. Mai. Dafür helfen Freunde, Familie, Bekannte, Kollegen im Ruhestand mit, um zumindest für diese Zeit reguläre Öffnungszeiten zu bieten.