Bäume fällen für den Naturschutz? „Das klingt erst mal widersinnig“, räumt Christoph Rückriem von der Biologischen Station in Zwillbrock ein. „Dabei ist es das ganz und gar nicht.“ Denn die Abholzungen von insgesamt 4782 Metern Gehölzstrukturen am Amtsvenn sollen dazu beitragen, dass seltene Wiesenvögel in Ruhe ihren Nachwuchs aufziehen können. Gemeinsam mit seiner Kollegin Daniela Reich setzt er sich beim Kreis Borken bereits seit mehr als einem Jahr dafür ein, diesen entscheidenden Schritt zu gehen. Er freut sich, dass es nun so weit ist.
Mehr Sicht gegen Prädatoren
Zum Hintergrund: Uferschnepfen und andere Wiesenvögel sind es gewohnt, auf weiten und offenen Flächen ihre Brutplätze anzusiedeln. Dies hat laut Christoph Rückriem vor allem den Hintergrund, dass sie etwaige „Prädatoren“ (Jäger) besser im Blick haben. Diese fliegenden Räuber – unter anderem auch die vielen Rabenkrähen – lassen sich gerne in den Bäumen am Rand der Brutgebiete nieder. Auf ihren Beobachtungsposten haben sie dann einen guten Überblick und unternehmen von dort aus ihre Beutezüge. „Das wollen wir durch die Baumfällungen verhindern“, erklärt der Biologe.
Dass damit die Bruterfolge der Wiesenvögel erhöht werden können, ist nach seinen Angaben gutachterlich belegt. Zudem verweist er darauf, dass sich diese Maßnahme auch in anderen Gebieten bereits bewährt habe. Eine Erfolgsgarantie gebe es jedoch nicht. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob sich die Vögel schon im kommenden Jahr wieder hier niederlassen“, erklärt die Biologin Daniela Reich. „Aber wir müssen es versuchen.“ Trotzdem falle es auch ihr schwer, solche großen und alten Bäume fällen zu müssen.
25 Jahre im Verzug
Die beabsichtigten Abholzungen seien zwar ein Eingriff in das Landschaftsbild, sagt Christoph Rückriem, „aber noch lange kein Kahlschlag“. Trotzdem habe er Verständnis dafür, dass Anwohner ihren Unmut äußerten. „Für die Menschen aus der Region sieht das erst mal heftig aus“, räumt der Biologe ein. Doch er verweist darauf, dass besonders die Uferschnepfe in ihrem Bestand stark bedroht sei. „Da haben wir eine hohe Verantwortung“, betont er. „Ziel muss sein, ihre Lebensbedingungen zu verbessern.“
Außerdem sei dies die erste sogenannte größere Gehölzmaßnahme am Amtsvenn seit 25 Jahren. „Also muss man eigentlich sagen, dass wir bisher sogar viel weniger Bäume gefällt haben als es normalerweise der Fall gewesen wäre“, betont der Biologe, der bereits seit 1998 für die Biologische Station Zwillbrock im Amtsvenn tätig ist.