Sechs Hörsteloer Nachbarn sitzen zusammen in dem kleinen Versammlungsraum auf einem Pferdehof. Sie treffen sich wöchentlich. Nicht weit weg soll eine der Potenzialflächen für Windenergie liegen, die „PF E Lüntener Mark“. Das steht im Teilflächennutzungsplan Windenergie für ganz Ahaus. Der Rat will darüber am kommenden Dienstag, 20. Juni, entscheiden.
750 Meter Luftlinie von der Potenzialfläche entfernt ist das Naturschutzgebiet (NSG) Schwattet Gatt. Die Männer kennen und lieben es, teils von Kindheit an. Ludger Bücker zum Beispiel. Er ist Bauingenieur und im Nebenerwerb Landwirt. Er erinnert sich, wie er als Junge durch die Heide gestapft ist und sagt: „Wir wissen um die Schönheit dieses Gebiets.“
Jörn Vehrenberg sind die Reitwege in der Umgebung des Schutzgebietes wichtig. Eine nationale Reitroute führt durch den nahen Provinzbusch. Die vielen Sandwege in der Umgebung sind gut geeignet fürs Reiten. Ein Netzwerk von 22 Kilometern sei das, idyllisch und ohne viel Verkehr. Seine Frau und er haben hier ihren Pferdehof aufgebaut.

Die Männer und gut 30 Haushalte sind Teil der Interessengemeinschaft (IG) Naturschutz Umfeld Schwattes Gatt. Zu Corona-Zeiten traf man sich oft dort. Die IG hat Naturfoto-Kurse organisiert, mit Klassen der Burgschule Nistkästen gebaut und aufgehängt und eine Natur-Olympiade organisiert. Sie wundern sich, wie wenig manche Kids über die Natur wussten.
Auch Spenden in Höhe von 2695 Euro hat die IG gesammelt, die der Burgschule helfen, ein Soccer-Ei zu finanzieren, eine Bolzplatz-Umrahmung mit Törchen. All das begleiten sie sehr aktiv mit Facebook-Posts, schreiben über des Arten des NSG und den Teilflächennutzungsplan.
Die IG Naturschutz Umfeld Schwattet Gatt ist nicht der einzige nachbarschaftliche Zusammenschluss in Hörsteloe. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Hörsteloer Bürgerwind will auf ihren Flächen Windräder bauen, es könnten zwei werden. So will sie die Energiewende voranbringen. Und nicht erst hier wird es kompliziert.

2019 erklärte die Bezirksregierung Münster den alten Teilflächennutzungsplan für ungültig. Zu wenig Flächen für die Windenergie waren darin verzeichnet. Zurück auf Los. Schon früh fielen aus Naturschutzgründen Flächen heraus. Der aktualisierte Plan verzeichnet 14 Flächen rund um Ahaus. Es ist ein Steuerungsinstrument, nur auf diesen Flächen sollen Windkraftwerke entstehen können. Platz wäre dann je nach Größe für 20 bis zu 40 Anlagen. Es kamen hunderte Stellungnahmen.
Viele Gruppen setzten sich für Flächen ein, auf denen sie Windräder bauen wollen, andere baten um mehr Abstand zur Wohnbebauung. Behörden, Nabu, die IG und viele Bürgerinnen und Bürger gaben Arten- und Naturschutzbedenken ab, bezüglich der Lüntener Mark und auch der Flächen Brink und Averesch.

Die IG- und Nabu-Stellungnahmen fallen wegen ihrer Ausführlichkeit auf. Chriss Hintemann vom Nabu Vreden hat den Verwaltungs- und Umweltrechtler Martin Gellermann dafür beauftragt und ihn der IG empfohlen. Hintemann schreibt schon lange Jahre Stellungnahmen für den Nabu, aber dies sei die erste, die eine Windkraftanlage betrifft. Sie sagt: „Es ist schade, dass der Klimaschutz gegen den Artenschutz ausgespielt wird.“
Damit bezieht sie sich auf die Änderung des Bundesnaturschutz-Gesetzes, die die Ampel-Regierung für den Windenergie-Ausbau beschlossen hat. Darin wird die Liste der kollisionsempfindliche Arten auf 15 gekürzt. Großer Brachvogel und Ziegenmelker sind nicht enthalten. Eine Studie der Vogelwarten empfiehlt für diese und insgesamt 40 Abstände von Brutvorkommen. Mit niedrigeren Ausgleichszahlungen können Artenschutzprobleme beglichen werden. Umweltrechtler Gellermann beschreibt die Gesetzänderung als zu kompliziert, angreifbar und deshalb weder dem Naturschutz noch dem Klimaschutz hilfreich.
In der Ahauser Verwaltung hat unter anderem Stadtplaner Walter Fleige mit dem Teilflächennutzungsplan und nicht nur dieser Gesetzesänderung zu tun. Er sagt: „Inflationsartig haben Bund und Land neue Gesetze in dem Bereich gemacht. Das hat uns überrollt.“ Die Konzentrationsflächen hält er für wichtig. Sonst könnten auch anderen Stellen Bauanträge für Windkraftsanlagen gemacht werden. Die Folge: Eine Verspargelung der Landschaft. Die Kriterien seien von der Politik auch vor Ort festgelegt worden und die Pläne würde dem folgen.
