„Hoffnung stirbt zuletzt“ BI will nach Atommüll-Debakel vor dem OVG noch nicht aufgeben

 BI will nach Atommüll-Debakel vor dem OVG noch nicht aufgeben
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Auch wenn der Atommüll aus Jülich in Ahaus gelagert werden darf, muss er es nicht. So sieht es zumindest die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ am Tag nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

Mit ihrer Klage gegen die Einlagerungsgenehmigung vor dem OVG sind die Stadt Ahaus und der Ahauser Theo Schwarte am Dienstag wie berichtet krachend gescheitert. Kritik, die sie an verschiedenen Punkten des Genehmigungsverfahrens geäußert haben, prallte ab. Oder löste sich in Wohlgefallen auf. Oder wurde gar nicht erst erklärt.

In einer Verhandlungspause vor dem Oberverwaltungsgericht. Die Stadt Ahaus, Theo Schwarte und die Anwälte haben am Dienstag in der fast siebenstündigen, mündlichen Verhandlung kein gutes Bild abgeliefert – und deutlich verloren.
In einer Verhandlungspause vor dem Oberverwaltungsgericht. Die Stadt Ahaus, Theo Schwarte und die Anwälte haben am Dienstag in der fast siebenstündigen, mündlichen Verhandlung kein gutes Bild abgeliefert – und deutlich verloren. © Stephan Rape

Wieder und wieder schienen die Anwälte der Stadt wie auch die Physikerin Oda Becker erschreckend unvorbereitet. Trotz des seit sieben Jahren laufenden Verfahrens. Und trotz ungezählter Seiten Schriftstücke, die in dieser Zeit hin und her gingen. Oda Becker engagiert sich seit Jahren für Umweltschutzorganisationen im Bereich Sicherheit und Risiko von Atomanlagen. Die Stadt hatte sie als Sachverständige in den Prozess genommen.

Auch auf deutliche Nachfragen des OVG-Richters Ralph Heinen gab es keine oder nur unzureichende Aussagen und Nachfragen. Die Sachverständige verschränkte mehrfach die Arme und wandte sich in ihrem Stuhl demonstrativ ab, wenn ihre Argumentation nicht verfing. An einer Stelle sorgte sie auf der Gegenseite sogar für offenes Gelächter: Sie kenne die aktuellen SEWD-Richtlinien (Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter beim Umgang mit und bei der Beförderung von sonstigen radioaktiven Stoffen).

Das könne nicht stimmen, da sie der Geheimhaltung unterliegen, hielt ihr die Gegenseite vor. Und tatsächlich: Nur wenige Momente später räumte sie ein, dass sie damit nur habe provozieren wollen. Nein, natürlich kenne sie die aktuellen Richtlinien nicht im Detail.

Wenig Antworten von Klägerseite

Auch rund um einen möglichen Beschuss des Lagers entglitt ihr mehrfach die Argumentation: Nein es sei klar, dass keine Gefahr davon ausgehe, wenn das Lager von außen mit Waffen beschossen werde. Ihr gehe es darum, was geschehe, wenn ein Castor-Behälter aus dem Innern der Lagerhalle mit einer panzerbrechenden Waffe beschossen werde. Diese Möglichkeit hatten die Beklagten zuvor kategorisch ausgeschlossen.

Über allem stand dazu noch deren Erklärung: Selbst wenn – theoretisch angenommen – Radioaktivität aus einem Behälter austrete, sei die nicht hoch genug, um eine Gefahr für die Bevölkerung auszulösen. Aber selbst wenn dem so wäre, sei das keine Frage der Genehmigung, sondern eine des Katastrophenschutzes. Keine Antwort von der Klägerseite.

Kläger enttäuscht vom Verfahren

„Welches Szenario sollen wir noch in den Blick nehmen, das nicht abgedeckt wurde?“, fragte der Richter kurz bevor sich der Senat zur Beratung über das Urteil zurückzog. Keine Antwort. Bürgermeisterin Karola Voß setzte noch notgedrungen zu einer Art Schlussplädoyer an: Sie wundere sich, dass überhaupt noch nach einem Endlager gesucht werde, wenn doch die Sicherheit des Zwischenlagers so hoch sei.

Auch Theo Schwarte, der als Privatmann aus Ahaus die Klage mit angestrengt hatte, sorgte auf der Gegenseite höchstens für müdes Lächeln. Zusammengefasst erklärte er: Vorgelegte Gutachten seien nichts wert, er sei vom Verfahren schwer enttäuscht, weil keine Zeugen gehört wurden, die Castorbehälter müssten geöffnet werden, um deren Inhalt genau zu prüfen. Das ganze Verfahren müsse von vorne aufgerollt werden. So dürfe es in keinem Fall stehen bleiben. Er befürchtete eine Spaltung der Gesellschaft in Ahaus, einen Wegzug von Akademikern und einen Niedergang der Industrie und des Gewerbes vor Ort.

BI zieht Strich unter Verhandlung

Unter die Verhandlung möchte Hartmut Liebermann, Sprecher der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“, am Mittwoch einen Strich ziehen – und sie eigentlich nicht näher bewerten: Auch wenn er immer noch irritiert und enttäuscht sei. „Zumindest zu den zentralen Aussagen der Klage hätte ich mir einen deutlichen Standpunkt der Anwälte der Stadt gewünscht“, erklärt er gegenüber unserer Redaktion. Die Verhandlung hatte er zusammen mit weiteren Vertretern der BI von den Zuschauerplätzen verfolgt.

Jetzt gehe es darum, die Einlagerung in Ahaus dennoch zu verhindern. In seinen Augen ist das eine politische Frage: „Auch wenn es aktuell rechtlich keine Hindernisse für die Einlagerung gibt, muss sie nicht in Ahaus geschehen“, sagt er. Die Transportgenehmigung sei noch nicht erteilt. Wenn die vorliege, werde der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) dagegen klagen. „Das steht fest“, sagt der BI-Sprecher.

In der Zwischenzeit sei es eine politische Frage, endlich die andere Option für den Atommüll aus Jülich voranzutreiben: den Neubau einer Lagerhalle in Jülich. Im Koalitionsvertrag der Landesregierung sei der Verbleib der Castoren in Jülich verankert. Auch mit Blick auf die Wahlen sei aktuell niemand daran interessiert, 152 Castor-Transporte durchzuziehen. Erfolgsaussichten dieser Pläne kommentiert er nicht direkt. Aber: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Mögliche rechtliche Schritte gegen das aktuelle OVG-Urteil behält sich die Stadt noch vor. Denkbar wäre eine Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dafür will Bürgermeisterin Karola Voß aber erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Das kann noch mehrere Wochen dauern.