Rund 336 Millionen Euro zahlt das Klinikum Westmünsterland aktuell für Sach-, Personal- und Investitionsfinanzierungskosten – pro Jahr. Allein durch die Inflation steigt dieser Posten in diesem Jahr um rund zwölf Millionen Euro. Mehrkosten, die sich nicht durch Einsparungen kompensieren ließen.
Zwar erhält das Klinikum wegen der Steigerung der Energiekosten in diesem Jahr einmalig voraussichtlich acht Millionen Euro von der Bundesregierung, doch das sei nicht ausreichend. Das rechnet das Klinikum in einer aktuellen Mitteilung zum Aktionstag vor.
Das Klinikum Westmünsterland beteiligt sich deswegen am Dienstag, 20. Juni, am bundesweiten Aktionstag „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“. Die wirtschaftliche Situation entwickle sich zunehmend dramatisch.
Nachfrage im Klinikum: Ist die Situation eine direkte Bedrohung für einen der Standorte? Nein, aber: „Die Situation ist sehr ernst“, betont Klinikums-Pressesprecher Tobias Rodig. Es gehe nicht nur um den Moment, es gehe um den Blick nach vorne – auf 2024 und darüber hinaus. „Wir haben mit den begonnenen und zum Teil schmerzhaften Umstrukturierungen alles getan, um uns möglichst robust aufzustellen“, sagt Tobias Rodig.
Damit spricht er die Schließung der Krankenhaus-Standorte in Vreden und Stadtlohn und die Konzentration auf die Standorte in Ahaus, Bocholt und Borken an. Entsprechend widerstandsfähig sei das Klinikum aktuell gegen Krisen aufgestellt. Trotzdem: „Kein Krankenhausträger kann die aktuell stattfindende Unterfinanzierung dauerhaft wirtschaftlich verkraften.“
Gefahr durch fehlenden Ausgleich
Das Konzept mit drei Standorten sei durch Bund und Land als notwendig, strukturell zukunftsfähig und langfristig tragfähig anerkannt. Ein fehlender Inflationsausgleich dürfe diese Struktur jetzt nicht gefährden.
„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und viele Punkte aus der Krankenhausplanung NRW umgesetzt“, sagt Tobias Rodig. Noch sei unklar, wie die Reform final aussehe.
Tobias Rodig wird an diesem Punkt ungewohnt deutlich: „Wir hoffen sehr – und es gibt dafür ja auch erste Anzeichen –, dass im Elfenbeinturm des Bundesgesundheitsministeriums der notwendige Realitätsbezug einkehrt und man sich im Rahmen der Reform am Krankenhausplan NRW orientiert.“

Zur Einordnung: Durch die inflationsbedingten Kostensteigerungen rechnen die Krankenhäuser in Deutschland bis 2023 mit einem Defizit von rund zehn Milliarden Euro. Weitere Kostensteigerungen seien absehbar – etwa durch den Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst und Marburger Bund. Diese seien zu finanzieren, bis eine große Krankenhausreform wirklich greife.
Mit dem bundesweiten Aktionstag am 20. Juni unter dem Titel „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ machen die Kliniken in Deutschland auf die Situation aufmerksam. Sie fordern die Verantwortlichen – insbesondere die Bundespolitik – auf, zeitnah verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. „Die Krankenhäuser müssen wieder in wirtschaftlicher Sicherheit verlässlich die Arbeit planen können“, macht Ludger Hellmann, Sprecher der Geschäftsführer im Klinikum Westmünsterland, in der Mitteilung deutlich.
Keine Kundgebung in Ahaus
Am Aktionstag sind zentrale Kundgebungen und Demonstrationen geplant. Vereinzelt wollen Kliniken ihre Gebäude rot anstrahlen. In Ahaus und den anderen Standorten des Klinikums Westmünsterland bleibt es bei der symbolischen Teilnahme, bei Infoplakaten und Aufklebern. Kundgebungen seien hier nicht geplant.
Dennoch: „Wir schließen uns dem Protest und dem Aktionstag mit Nachdruck an, weil wir endlich wieder Verlässlichkeit und Auskömmlichkeit bei der Finanzierung der Kliniken benötigen“, sagt Ludger Hellmann.
Es sei inakzeptabel, dass Krankenhäuser die medizinische Versorgungssicherung tragen müssen, aber den Preis für diese Leistung nicht angemessen kalkulieren und vereinbaren können. Das müsse sich schnellstens ändern.
Einmalige Hilfspakete reichen nicht
Es reiche nicht, systemische und inflationsbedingte Kostenentwicklungen durch einmalige Hilfspakete zu puffern. „Wir sind zweifellos dankbar für die gewährte Finanzhilfe für Energiekosten“, macht er deutlich. Der Umfang sei jedoch nicht ausreichend und der Ansatz nicht nachhaltig. „Wir müssen weg von immer neuen Hilfspaketen, die einen Almosen-Charakter entwickeln“, erklärt er.
Schon im Herbst 2022 hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Krankenhäuser in Deutschland in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befinden.
„Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel Kraft auf die Sicherstellung eines positiven Jahresergebnisses verwendet“, so Ludger Hellmann, „die schwarze Null stand. Als gemeinnütziges Unternehmen verwenden wir immer alle erwirtschafteten Erfolge unmittelbar für die Medizin und Pflege. Angemessene Betriebsergebnisse sind auch zukünftig notwendig, um eine gute Versorgung der Menschen sicherzustellen.“
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