„Strukturen werden jetzt zerschlagen“ Manuela Brandt fürchtet Aus für Ahauser Aidshilfe

Manuela Brandt fürchtet Aus für Ahauser Aidshilfe
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Manuela Brandt ist wütend, hilflos und sorgt sich. Denn: Die Förderung der Aidshilfe Westmünsterland soll um 10.900 Euro gekürzt werden – das sieht zumindest der Entwurf des Landeshaushalts 2025 vor. In ganz NRW um knapp 1,6 Millionen.

Seit 17 Jahren ist Manuela Brandt für die Aidshilfe im Kreis Borken auf der Marktstraße in Ahaus zuständig. Und noch nie hat sie sich in so einer schier aussichtslosen Situation wiedergefunden. Was bedeutet das für Ahaus?

Kürzungen und Konsequenzen

Wenige Tage vor dem Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember steckt Manuela Brandt mitten in den Vorbereitungen. Anstrengende zwei Wochen stehen ihr bevor – wichtige zwei Wochen, in denen die Aidshilfe Westmünsterland auf Krankheit und Betroffene aufmerksam machen will. Doch in diesem Jahr steht das alles im Schatten möglicher Kürzungen. „So schwarz, wie es im Moment aussieht, war es noch nie.“ In Manuela Brandts Gedanken kreist die Frage: Wie wird es nächstes Jahr weitergehen?

Denn Manuela Brandt besetzt die Aidshilfe in Ahaus ganz allein. „Ich decke von Gronau bis Bocholt alles ab.“ Mit den Kürzungen könnten also auch Stunden ihrer Stelle und somit Angebote wegfallen.

Beratung, Prävention, Testmöglichkeiten und Unterstützung für Menschen, die HIV-positiv sind, könnten massiv gekürzt werden oder sogar wegfallen. Im schlimmsten Fall heißt das: Schülerinnen und Schüler in Ahaus und dem Kreis würden nicht mehr aufgeklärt werden, bekämen keine Informationen über HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten.

Eine Sicherstellung zur medizinischen Versorgung könnte wegfallen – sprich Betroffenen fehlt die Unterstützung, um die Medikation im Blick zu halten. Prävention in der Sexarbeit, die es auch hier im Kreis gibt, würde gekürzt oder gestrichen werden. Testangebote in Ahaus würden massiv eingeschränkt. Die Folge: HIV-Neuinfektionen könnten wieder steigen.

Aidshilfe über Wasser halten

200 Mal hat Manuela Brandt Klientinnen und Klienten allein in diesem Jahr auf der Marktstraße in Ahaus beraten. 43 Mal hat sie betroffene Menschen begleitet. Und 93 Tests für HIV, Hepatitis und Syphilis wurden in diesem Jahr bei der Aidshilfe Westmünsterland durchgeführt. All das könnte massiv gekürzt werden oder der Vergangenheit angehören.

Im Moment ist das alles noch hypothetisch. Aber für Manuela Brandt ist klar, dass sie im Falle der Kürzungen keinen realistischen Ausweg sieht. Über 30 Jahre habe das Land die Fördermittel für die Aidshilfen nicht erhöht. Lange habe der Kreis Borken unterstützt und vieles aufgefangen, doch auch hier seien Grenzen erreicht. „Es ist Landesaufgabe“, sagt sie.

Die letzten Jahre waren hart. „Wir haben uns teilweise durch Projekte und Sponsoren gerettet.“ Diese zusätzlichen Finanzierungen haben die Aidshilfe lange über Wasser gehalten. „Aber bis dato fehlten 10.000 Euro. Jetzt über 20.000 Euro.“ Unvorstellbar, wie diese Kosten reingeholt oder eingespart werden sollen. „Strukturen werden jetzt zerschlagen, die aufgebaut wurden und sich bewährt haben.“ Diese Defizite könnten auch Ehrenamtler nicht ausgleichen.

Medizinische Versorgung in Gefahr

Um ihren Job sorgt sich Manuela Brandt nicht. Vielmehr um die medizinische Versorgung Betroffener. Es gehe um Menschen, die sich im Gesundheitssystem nicht auskennen. Menschen, die schon lange HIV-positiv sind und denen es hier nicht gut geht. Die eine andere Sprache sprechen und teils nicht mal krankenversichert sind. Oder denen eine Person fehlt, der sie sich anvertrauen können. „Sie stehen an der Grenze ihrer Lebensqualität und brauchen Begleitung.“

Alle drei Monate müssen HIV-positive Menschen zum Check bei einem HIV-Schwerpunktbehandler, um ihre medikamentöse Therapie zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Im Kreis Borken gibt es allerdings keine. Die nächsten Schwerpunktpraxen sind in Münster, Essen oder Köln. Manuela Brandt fährt Betroffene zu den Praxen und begleitet sie, unterstützt sie, macht die Versorgung gewissermaßen möglich. „Auch das würde wegfallen.“

Stimme gegen Diskriminierung

Manuela Brandt fürchtet auch, dass mit den Kürzungen eine Stimme gegen Diskriminierung verstummt. Noch immer haben Betroffene von HIV und Aids Angst, diskriminiert zu werden – besonders hier im ländlichen Gebiet. „Ich hätte mir gewünscht, dass ich in den 17 Jahren irgendwas bewegen würde und erleben dürfte, dass es lockerer wird“, sagt Manuela Brandt. Doch das sei nicht der Fall. „Im Gegenteil.“

Sie ist frustriert, fühlt sich hilflos. „Es geht nicht um mich. Es geht um die Leute, die von jetzt auf gleich im Stich gelassen werden.“ Ein diskriminierungsfreier Raum, der ihnen genommen wird. Ein Ort des Vertrauens, der fehlen würde. „Was einmal weg ist, bleibt weg“, fürchtet sie.

Manuela Brandts Gedanken drehen sich im Kreis. „Wenn es zu den Kürzungen kommt, wie soll man dann entscheiden? Zu welcher Schule geht man und welche Klienten fährt man zu Schwerpunktbehandlungen? Wie wird da aussortiert?“ Fragen, die sie jetzt nicht beantworten kann und will.

Die geplante Entscheidung über die Kürzungen wird voraussichtlich im Rahmen der Haushaltsabstimmung getroffen. Für Manuela Brandt ist klar, was im Fokus steht. „Die Menschen, die es betrifft, werden von mir sicherlich nicht von jetzt auf gleich ins kalte Wasser gestürzt.“ Für sie heißt es hoffen und wünschen. Und zu zeigen, dass die Aidshilfe für Ahaus und den Kreis Borken wichtig ist.

Manuela Brandt steht in der Tür bei der Aidshilfe Westmünsterland
Der erste Blick auf konkrete Zahlen der möglichen Kürzungen war für Manuela Brandt ein Schock. „Ich dachte, dass die Aidshilfe Westmünsterland wahrscheinlich in den letzten Zügen liegen wird und die Tore schließen muss.“ © Jule Lamers