Pfarrer Stefan Jürgens übt scharfe Kritik am Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

© Gudrun Niewöhner

„Ethischer Dammbruch“ – Ahauser Pfarrer Stefan Jürgens wegen Sterbehilfe-Urteil entsetzt

rnUrteil Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe für grundgesetzwidrig erklärt. Pfarrer Stefan Jürgens ist entsetzt – und stellt grundlegende ethische Fragen.

Ahaus

, 01.03.2020, 04:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe ist gekippt. Das Bundesverfassungsgericht gab am Mittwochmorgen den Beschwerden von Sterbehilfeorganisationen, Ärzten und schwer kranken Menschen statt. Es gebe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, erklärten die Richter. Nicht überall sorgt das Urteil allerdings für Begeisterung.

Stefan Jürgens, leitender Pfarrer der beiden Pfarreien St.-Mariä-Himmelfahrt Ahaus und St.-Mariä-Himmelfahrt Alstätte/Ottenstein, übt scharfe Kritik. In einem Schreiben an die Redaktion räumt er zunächst ein: „Ich kann verstehen, dass manche Menschen, die unsäglich leiden, sterbenskrank und sterbensmüde sind; sie bitten buchstäblich darum, endlich sterben zu dürfen.“ Allerdings brauche es dann medizinische Hilfe und menschliche Nähe.

Stefan Jürgens: „Sterben darf nicht mit Gewalt herbeigeführt werden“

Der Ahauser Pfarrer erklärt: „Das Sterben gehört zum Leben dazu, es ist ein natürlicher Prozess, der verantwortungsvoll begleitet werden muss; der nicht künstlich aufgehalten werden sollte, der aber auch nicht mit Gewalt herbeigeführt werden darf.“ Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nennt er einen „ethischen Dammbruch“.

Zwar werde das Selbstbestimmungsrecht und damit auch das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben mit der Menschenwürde begründet. „Eine solche Liberalisierung kann jedoch auch gerade gegen diese Würde eingesetzt werden“, glaubt Stefan Jürgens und sieht den Gesetzgeber in der Pflicht, damit die aktive Sterbehilfe nicht missbraucht wird.

Ahauser Pfarrer sieht viele offene Fragen

Für den Geistlichen stellen sich nach dem Urteil gleich mehrere Fragen: „Wer garantiert, dass einem alten oder kranken Menschen nicht eingeredet wird, es sei besser, er würde bald sterben? Wer garantiert, dass nicht egoistische oder volkswirtschaftliche Motive dafür verantwortlich sind, dass man Menschen buchstäblich entsorgt, statt für sie zu sorgen? Wer wird die Vereine und Institutionen kontrollieren, die mit der aktiven Sterbehilfe Geld verdienen möchten?“

Stefan Jürgens verweist skeptisch auf die Nachbarländer wie Belgien und die Niederlande, wo die Gesetze zur aktiven Sterbehilfe bereits vor einiger Zeit gelockert wurden: „[Es] wurden schon alte oder sehr kranke Menschen ‚rechtzeitig‘ getötet, weil deren Angehörigen sorgenfrei in den Urlaub fahren wollten. So wurden das Leben und Sterben von Menschen ‚passend‘ gemacht!“ Seine Hypothese: „Wer das Leiden abschaffen will, landet bei der Abschaffung der Leidenden.“

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Deshalb wünscht sich der Ahauser Pfarrer statt einer Liberalisierung der aktiven Sterbehilfe eine gute Palliativversorgung und einen Ausbau des Hospiznetzes. Sein Blick in die Zukunft wirkt allerdings düster: „Man wird die fortschreitende ethische Gleichgültigkeit unserer Gesellschaft nicht ganz aufhalten können.“ Deshalb werde es mehr denn je auf das Glaubens- und Lebenszeugnis von Gläubigen und Menschen guten Willens ankommen, persönlich für die Menschenwürde einzustehen.

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