Ahauser Hausarztpraxen brauchen Atempause Vertretungsärzte halten die Stellung

Ahauser Hausarztpraxen brauchen Atempause: Vertretungsärzte halten die Stellung
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„Wir können alle nicht mehr.“ Dr. Akin Yilmaz-Neuhaus findet klare Worte. Der Allgemeinmediziner ist ärztlicher Leiter und Geschäftsführer der Praxis im Kreishaus. Doch er bezieht auch andere Hausarztpraxen mit ein, wenn er sagt: „Alle Teams sind am Ende ihrer Kräfte.“

Darum haben er und andere Hausärzte in Ahaus eine schwere Entscheidung getroffen. Sie ziehen die Notbremse und genehmigen sich und ihren Teams nach Weihnachten eine Verschnaufpause. Zwischen den Feiertagen werden in Ahaus nur zwei hausärztliche Praxen geöffnet haben und die Vertretung übernehmen. Dazu kommt noch eine dritte Praxis in Wüllen.

Es wird gehustet und geschnieft

Montagmittag in der Praxis im Kreishaus. Im Wartezimmer sind alle Plätze belegt. Auf dem Flur vor der Praxistür warten zehn, zwölf Menschen, eine Mutter mit drei Kindern, ältere Frauen und Männer, aber auch einige jüngere. Es wird gehustet und geschnieft. Das übliche Winterprogramm.

Aber Corona, Grippewelle und RS-Virus sorgen für immer vollere Praxen, für immer längere Wartezeiten in den Akutsprechstunden. Der Druck auf Ärzte und medizinische Fachangestellte steigt. Auch in den Teams gibt es krankheitsbedingte Ausfälle.

„Heute ist ein Patient gegangen, weil er nach 35 Minuten immer noch nicht an der Reihe war. Das tut mir sehr leid. Da kann ich nur auf Verständnis hoffen“, sagt Akin Yilmaz-Neuhaus. Derzeit gibt es in seiner Praxis eine Urlaubssperre – „sonst könnten wir das gar nicht bewältigen“.

Patienten im Wartezimmer
Corona, Grippe, RS-Virus, die Wartezimmer (Symbolbild) der Hausarztpraxen in Ahaus sind voll. © picture alliance/dpa

Schon im Oktober hatte der Mediziner vor einer Grippewelle gewarnt. Jetzt, wo es kalt und nass ist, trifft sie viele mit Wucht, und zwar stärker als in den Jahren zuvor. „Die Patienten sind anfälliger und sie leiden schwerer unter den Infektionen“, sagt Akin Yilmaz-Neuhaus. „Selbst jüngere Patienten müssen oft bis zu zwei Wochen mit der Influenza kämpfen.“

Das hat auch Auswirkungen auf die Praxis. „Die Patienten kommen ja nicht nur einmal, sondern mehrmals. Und dafür habe ich viel Verständnis. Wer sich richtig krank fühlt und Angst vor einer Lungenentzündung hat, der soll auch zum Arzt gehen.“

Das ist erst der Anfang

Dass Erkältungen und Grippeviren die Menschen in diesem Jahr härter treffen, könnte mit den coronabedingten Hygienemaßnahmen der letzten Jahre zu tun haben, vermutet der Mediziner. „Die Masken waren wichtig, aber sie haben das normale Training für das Immunsystem unterbrochen. Die Auswirkungen müssen aber noch wissenschaftlich untersucht werden“, so der Mediziner.

Fest steht für ihn: Die Belastung der Patienten und der Praxen ist überaus groß. Und sie wird noch größer werden. „Über Weihnachten und Neujahr sitzen die Menschen zusammen. Dann werden auch jede Menge Krankheitserreger ausgetauscht. Und der kalte Januar und der kalte Februar kommen ja erst noch.“

Engpässe bei Medikamenten

Erschwerend kommen für die Hausärzte noch Lieferprobleme bei den Medikamenten hinzu. „Bestimmte Schmerzmittel, Hustensäfte, Antibiotika für Kinder, Betablocker sind einfach nicht mehr zu haben. Das ist wirklich erschreckend. Und es bedeutet größeren Aufwand für die Ärzte, geeignete Ersatzmedikamente zu verschreiben“, sagt Akin Yilmaz-Neuhaus.

Aus all diesen Gründen sei es jetzt wichtig, den Praxis-Teams nach Weihnachten ein paar Tage Auszeit zu gewähren, damit alle einmal durchatmen können und am 2. Januar mit neuer Kraft wieder starten können, so der Hausarzt.

Drei Vertretungspraxen

Möglich sei das, da in Ahaus zwei Praxen in die Bresche springen. Die Vertretungspraxen Malyar/Storks/Balbach (Wallstraße 16-20) und Varwick/de Boer/Sennekamp/von Wnuck-Lipinski (Wallstraße 12-14) haben regulär geöffnet, werden aber sicher überwiegend zu Akutsprechstunden übergehen, sagt Akin Yilmaz-Neuhaus. In Wüllen werde zudem auch die Hausarztpraxis Wolf/Herwing (Heuland 35) Sprechstunden anbieten.

Bei aller Arbeit, die die Praxen derzeit mit kranken Patienten haben, empfiehlt Akin Yilmaz-Neuhaus auch den noch Gesunden vor Weihnachten noch einen Arzttermin: „Für eine Grippeschutzimpfung ist es jetzt noch nicht zu spät!“