
© Bernd Schlusemann
Staatsanwalt will 54-jährigen Ahauser wegen Betrugs lange wegsperren
Betrugsprozess
Allein insgesamt 12 Betrugstaten sieht der Staatsanwalt im Prozess gegen einen 54-jährigen Ahauser nach 16 Verhandlungstagen als nachgewiesen an. Er fordert eine mehrjährige Haftstrafe.
Weit, sehr weit auseinander liegen Staatsanwaltschaft und Verteidigung, was das beantragte Strafmaß für einen 54-jährigen Ahauser angeht. Der muss sich seit 16 Verhandlungstagen vor dem Schöffengericht wegen Betruges und weiterer Delikte verantworten.
Der Staatsanwalt sah in seinem Plädoyer am Mittwochnachmittag die 14 Straftaten, die dem herzkranken Angeklagten vorgeworfenen werden, durch die vielen Zeugenaussagen im Verlauf des Verfahrens bestätigt. Für die Einzeltaten forderte er Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr und neun Monaten. Die daraus gebildete Gesamtstrafe soll viereinhalb Jahre betragen.
Lange Anklageliste der Staatsanwaltschaft
- Gewerbsmäßigen Betrug und Urkundenfälschung in mehreren Fällen wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten unter anderem vor. Beispielsweise verkaufte er einem Unternehmer aus Hamburg im Oktober 2015 für 28.500 Euro einen gebrauchten Pulverbeschichtungsofen, kassierte 10.000 Euro Anzahlung, lieferte den Ofen aber nie aus. Hier wirft der Staatsanwalt dem Angeklagten außerdem vor, den Kaufvertrag gefälscht zu haben.
- Im Februar 2016 soll der Ahauser eine Tunnelbeschichtungsanlage verkauft haben. Den Kaufpreis von 15.000 Euro hat er laut Staatsanwalt ebenso erhalten wie 9.350 Euro für die Demontage der Anlage. Die aber kam nie bei seinem Kunden an.
- Zwei Kompressoren, im Internet verkauft, sahen nie ihre Käufer und auch ein Rechtsanwalt des Angeklagten hat den Mann wegen Betrug angezeigt. In diesem Fall hatte der Angeklagte dem Anwalt aus Ahaus/Heek mehrere Aufträge gegeben, obwohl er genau wusste, dass er die Rechnungen – insgesamt rund 5000 Euro – nicht bezahlen kann.
- Gemietete und nicht bezahlte Gabelstapler und Scherenbühnen werden außerdem noch vor Gericht erörtert werden. Rechnungssumme hier: 4300 Euro.
- Nach dem Scheitern seines Unternehmens war der Ahauser Angestellter mit Dienstwagen bei einer Firma in Hamburg. Als das Arbeitsverhältnis gelöst wurde, gab er den Dienst-Smart nicht zurück. Vielmehr versuchte der 54-Jährige, den Wagen bei einem Autohändler in Alstätte zu verkaufen. Das gelang nicht und die Polizei konnte den Wagen sicherstellen.
Für Amtsgerichte in Deutschland gilt in Strafsachen eine Zuständigkeitsgrenze bei zu erwartenden Freiheitsstrafen von vier Jahren. Daher summierte der Staatsanwalt einzelne Taten zu einer Strafforderung von drei Jahren und forderte für eine weitere Tat eine Einzelstrafe von eineinhalb Jahren Haft.
Die Verteidigung dagegen räumte nur einen einzelnen Betrug ein: den Verkauf einer Maschine im Internet, die der Kunden nie erhielt. Alle weiteren Strafvorwürfe seien nicht zu beweisen. Oder sie würden nicht in die Zuständigkeit des Strafgerichts fallen, sondern zivilrechtlicher Natur sein, argumentierten die beiden Verteidiger. Entsprechend fanden sie eine Strafe von sieben Monaten auf Bewährung für angemessen.
Anwalt sagte als Zeuge aus
Erst am letzten Verhandlungstag hatte der Staatsanwalt berichtet, dass er rund ein halbes Dutzend weiterer Verfahren gegen den Angeklagten eingeleitet hat. Entsprechend sprach er von diesem Prozess als „Zwischenetappe“. Der Angeklagte werde sich wahrscheinlich noch wegen etlicher weiterer Betrugsdelikte verantworten müssen.
„Da hat er mich ja schon wieder betrogen“, diesen Satz eines Zeugen aus der Beweisaufnahme stellte der Staatsanwalt als Überschrift über sein Plädoyer. „Der Angeklagte täuscht und betrügt bei jeder Gelegenheit Personen, die mit ihm Geschäfte machen wollen“, gab der Staatsanwalt seinen Gesamteindruck von der Beweisaufnahme wieder. Und: „Die Gesamtzahl der Schäden spricht Bände.“
Viel Geld gezahlt und Schrott geliefert
Der Angeklagte habe von seinen Opfern „viel Geld erhalten und nur Schrott geliefert“, sagte der Ankläger. Dabei habe der Ahauser „typisches Betrügerverhalten“ gezeigt, den Fachmann gegeben und seine Kunden dann „auf trickreiche Art und Weise betrogen“.
In Richtung Verteidigung sprach der Staatsanwalt von einer Vielzahl von unbegründeten Beweisanträgen. In seinem Plädoyer hielt er den Verteidigern auch vor, dass sie einen als Zeugen geladenen Anwalt massiv unter Druck gesetzt hatten. Der Staatsanwalt sprach in diesem Zusammenhang sogar von Einschüchterung.
Schön öfter strafrechtlich in Erscheinung getreten
Erschwerend wertete der Staatsanwalt in seinem Plädoyer, dass der Angeklagte zuvor bereits elf Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten sei: fünf Mal wegen Betruges, außerdem wegen Unterschlagung, Urkundenfälschung und umweltgefährdender Abfallentsorgung. Und auch, dass der Angeklagte im bereits laufenden Ermittlungsverfahren gegen ihn weiter als Verkäufer aufgetreten sei.Am Ende sah der Staatsanwalt 12 Betrugstaten, zwei Unterschlagungen beziehungsweise versuchte Unterschlagungen sowie zwei fahrlässige Eidesstattliche Versicherungen als nachweisbar an. Wegen des entstandenen Schadens von über 50.000 Euro bezeichnete er den Angeklagten nicht als „ehrenhaften Kaufmann sondern als unehrenhaften Betrüger.“ Er sprach von einer „erdrückenden Beweislage.“
Neben den vom Staatsanwalt geforderten viereinhalb Jahren Haft forderte dieser außerdem die Einziehung von 54.000 Euro von dem Angeklagten nach der Haft und ein Berufsverbot für diesen als Kaufmann.
„Der Strafprozess ist nicht dazu da, neue Freundschaften zu schließen“, reagierte ein Anwalt des Angeklagten recht gelassen auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in seine Richtung. Im Plädoyer machte der Anwalt deutlich, dass er die Betrugsvorwürfe durch die Beweisaufnahme nicht als nachgewiesen ansah.
Das Gegenteil war der Fall. Der Anwalt stellte beispielsweise einen Zeugen als unglaubwürdig dar. Ein Zeuge, der eine nicht funktionstüchtige Anlage von dem Angeklagten erhalten hatte „wusste genau, was er erhält“, betonte der Anwalt.
In einem anderen Fall habe ein Zeuge und vermeintliches Opfer selber zugegeben, dass er Waren erhalten habe, deren Schrottwert allein schon den vereinbarten Kaufpreis ausmachten. In anderen Fällen forderte der Anwalt Freispruch, weil der Fall „ein zivilrechtliches und kein strafrechtliches Problem“ darstelle.
Im Fall des versuchten Verkaufs eines nicht dem Angeklagten gehörenden Autos und bei der nicht bezahlten Anmietung von Maschinen sprach der Anwalt von „straflosem Alternativgeschehen“ und forderte ebenfalls Freispruch.
Leere Konten kann man schon mal vergessen
Im Fall der vorgeworfenen falschen eidesstattlichen Versicherung in einer Vollstreckungssache hatte der Angeklagte einige seiner meist leeren Konten nicht genannt. Hier meinte der Anwalt, dass leere Konten oder Konten „mit einem Euro und ohne Bewegung“ schon mal vergessen werden könnten.
Fest hielt der Anwalt an seiner Meinung, dass das Gericht die Angaben des ehemaligen Rechtsanwalts des Angeklagten nicht verwerten dürfe. Die seien unverwertbar, weil der Jurist gegen die anwaltliche Schweigepflicht verstoßen habe. Das sah die Staatsanwaltschaft allerdings anders. Sie hatte dem Anwalt zugesichert, bei einer Aussage nicht gegen ihn tätig zu werden.
Am Ende räumte der Anwalt für seinen Mandanten ein, ein Pulvergerät für 1600 Euro bei Ebay verkauft zu haben, das der Käufer nie erhielt. „Sieben Monate auf Bewährung müssen reichen“, war der Vorschlag des Anwalts als Strafmaß dafür.
- Der Prozess wird am Freitag, 23. August, um 14 Uhr in Saal I des Ahauser Amtsgerichts fortgesetzt. Dann soll das Urteil gesprochen werden.
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