Karola Voß zur anstehenden Wahl „Ich bin unruhig geworden und wollte Klarheit haben!“

Karola Voß: „Ich bin unruhig geworden und wollte Klarheit haben!“
Lesezeit

Womit haben Sie Ahaus seit 2015 geprägt?

Ich habe immer versucht, einen guten Draht zu den Menschen zu bekommen. Ich bin als Unbekannte gestartet, weil mich in Ahaus und den Ortsteilen niemand kannte, obwohl ich schon lange in Quantwick lebe. Aber ich habe hier nie gearbeitet. Stadtverwaltung bedeutet für mich, für die Bürgerinnen und Bürger da zu sein. Das ist für mich kein leeres Geschwätz. Ich will für jeden gut ansprechbar sein. Es macht mir Spaß, präsent zu sein.

Was war in den vergangenen neun Jahren Ihre größte Niederlage?

Es sind ja nicht alle meine Wünsche in Erfüllung gegangen. Aber da spreche ich nicht von Niederlagen. Das ist Demokratie.

Und Ihr größter Triumph?

Ich habe mich total über die Wiederwahl 2020 und das Ergebnis gefreut.

Damals bekamen Sie 77 Prozent der Stimmen. 2015 waren es 67 Prozent. Schaffen Sie das noch einmal?

Darauf kommt es mir nicht an. Ich würde gerne wiedergewählt, aber ich peile keine Prozentzahl an. Und ich finde es auch vermessen zu sagen, ich bin nur zufrieden, weil ich über drei Viertel der Stimmen bekomme. Es sind immer bestimmte Konstellationen nötig: Bei meiner ersten Wahl gab es eine Wechselstimmung. Das war nicht mein persönliches Ergebnis.

Naja, aber das zweite war es ja schon...

Ja, das habe ich auch so empfunden. Aber ich glaube, es ist nicht einfach, sowas zu halten. Weil ich meinen Weg gehe, auch wenn er der Mehrheitsmeinung widerspricht. Ich kann nicht beurteilen, wie Dinge in der Bevölkerung ankommen. Aber ich würde es einfach gerne nochmal machen. Und ich würde es nicht tun, wenn ich denken würde, dass ich es nicht gut kann.

Karola Voß bei der letzten Kommunalwahl im September 2020: Mit überwältigender Mehrheit von 77 Prozent der Stimmen wurde sie als Bürgermeisterin bestätigt.
Karola Voß bei der letzten Kommunalwahl im September 2020: Mit überwältigender Mehrheit von 77 Prozent der Stimmen wurde sie als Bürgermeisterin bestätigt. © Archiv

Sie werden also bei der nächsten Bürgermeisterwahl 2025 wieder antreten?

Ja. Ich wollte das bis Anfang 2025 entscheiden, bin jetzt aber immer unruhiger geworden und wollte für mich Klarheit haben. Am 1. Mai stand für mich fest, dass ich nochmal antreten werde.

Warum?

Ich habe den Eindruck, dass ich einen großen Erfahrungsschatz mitbringe. In Ahaus und in dieser Verwaltung. Darauf will ich aufbauen. Und ich habe noch viel Herzblut, um die Verwaltung weiter voranzubringen. Und um Ahaus und die Interessen der Menschen zu vertreten.

Man sieht Sie auf ‘zig Veranstaltungen. Was ist wichtiger: Die Arbeit hier im Rathaus oder die Präsenz vor Ort?

Für mich ist wirklich beides gleich wichtig. Ich bin Chefin im Rathaus. Eine Verwaltung mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich bin für die Leitung, für Personal und Organisation verantwortlich. Die Verwaltung ist für die Bürgerinnen und Bürger da. Das muss laufen. Aber ich bin nicht nur Chefin der Verwaltung. Ich sehe für mich drei Aufgaben: Ich habe auch den Vorsitz im Rat. Und ich wurde von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt, die einen kurzen Draht zu mir haben wollen. Ich bin ein Bindeglied.

Was möchten Sie noch erreichen?

Ich stehe nicht für einzelne Leuchtturmprojekte. Ich wünsche mir, dass die Ahauserinnen und Ahauser stolz auf ihre Stadt und mit den Angeboten, die wir haben, zufrieden sind. Und dass wir als attraktive Stadt wahrgenommen werden.

Nicht nur in ihrem Büro hat sich viel verändert. Bürgermeisterin Karola Voß sagt, dass sie noch viel Herzblut hat, um die Verwaltung weiterzuentwickeln.
Nicht nur in ihrem Büro hat sich viel verändert. Bürgermeisterin Karola Voß sagt, dass sie noch viel Herzblut hat, um die Verwaltung weiterzuentwickeln. © Stephan Rape

Wer hat Sie in Ihrer Arbeit am stärksten beeinflusst?

Es sind unterschiedliche Einflüsse. Zum Beispiel ein enger Austausch im Verwaltungsvorstand. Das hat schon was Demokratisches. Ich weiß, dass ich als Bürgermeisterin auch rechtlich in der Lage wäre, gegen drei andere zu entscheiden. Aber mir ist wichtig, den Kompromiss und eine breite Basisentscheidung zu treffen. Natürlich gibt es auch Einflüsse hier aus der Verwaltung: Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ich sehr schätze und die ich nach ihrer Meinung frage. Nicht nur über fachliche Dinge, sondern auch über die Verwaltung allgemein, über die Stadt oder über Gott und die Welt.

Aber es gibt auch viele Menschen in der Stadt, die mir wichtig sind und für die ich ein offenes Ohr habe. Ich höre einfach gerne, was die Menschen sagen und bilde mir daraus meine Meinung.

Was ärgert Sie mehr? Falsche Zitate in der Presse oder lokale Gerüchteküche?

Die falschen Zitate ärgern mich mehr. Aber ich weiß, was gemeint ist. Natürlich bin ich auch schon vor längerer Zeit direkt darauf angesprochen worden. Um es klar zu sagen: Ich bin mit Tobias Groten befreundet und schätze ihn sehr. Seine Meinung und seinen Blick auf viele Dinge. Als ich noch nicht Bürgermeisterin war, kannte ich ihn nicht. Und das hat sich einfach auch in dieser Zeit ergeben. Daraus mache ich kein Geheimnis. Ich finde interessant, dass man mir zutraut, dass ich meine Unabhängigkeit verlieren würde. Wer das denkt, soll mich bitte nicht wählen. Meine Vorstandsherren haben mehr Einfluss auf mich als er.

Ich finde schade, wenn das Einfluss auf eigentlich gute Entscheidungen hat. Etwa wenn ich an den Domhof denke. Aber ich würde auch nie so weit gehen und sagen, okay, ich hebe die Freundschaft auf und treffe mich nicht mehr mit ihm. Außerdem: Ich habe eine Stimme im Rat. Und welche Möglichkeit hätte jemand von außen, mich zu beeinflussen? Ich werde ja total kontrolliert, was ich als Bürgermeisterin mache. Durch den Rat und die Verwaltung. Und ich wüsste auch nicht eine Sache, bei der man mir nachher gesagt hat, dass ich irgendwas vorweggenommen hätte.

Was sagt Ihre Familie zu der Kandidatur?

Also, für meinen Mann ist es in Ordnung. Wir sind seit 1984 glücklich verheiratet. Er hat mir die Entscheidung überlassen. Meine Tochter sieht es von außerhalb und hat mich eindringlich gefragt, ob ich das wirklich nochmal machen will. Jetzt, wo ich mich entschieden habe, ist das in Ordnung.

Wie viel Freizeit bleibt?

Für mich sind viele repräsentative Termine keine dienstlichen Termine. Es ist für mich eine Zeit in meinem Leben, in der ich Kontakte knüpfen, viel hören und Menschen kennenlernen kann. Ich mache das einfach gerne. Das belastet mich nicht. Ich würde sagen, dass der Hauptteil meiner Arbeit als Chefin hier im Rathaus wirklich Arbeit ist, die ich aber sehr gerne mache. Alles andere ist für mich ein tolle Beigabe. Ein Schatz, den ich in jedem Fall mitnehme.

Was ist in Ahaus die größte Baustelle?

Wir haben sicherlich Baustellen. Aber das sind Dinge, um die man sich kümmern kann. Es gibt nichts Unlösbares. Nur manchmal dauert es länger. Oder läuft anders als man es sich vorgestellt hat. Wenn wir uns mit anderen Städten vergleichen, sind wir von der Infrastruktur gut aufgestellt. Aber wir haben tatsächlich so viele Aufgaben, wenn ich an Kitaplätze und Schulen denke. Oder an das Flüchtlingsthema, das uns seit Jahren beschäftigt. Das war abgeflacht, aber seit dem Ukrainekrieg ist es wieder ein riesiges Thema. Da muss man komplett schwenken und andere Themen zur Seite schieben, obwohl sie fest auf dem Plan standen und eigentlich schon fast die Bagger anrollten.

Und man darf ja auch die laufenden Aufgaben nicht vergessen. Es geht ja nicht nur um Neubau: Wir haben so etwa 150 öffentliche Gebäude. Da fallen ja auch Dinge an. Das kennt jeder aus dem eigenen Haus oder der eigenen Wohnung. Ich freue mich über jede Sache, die fertig ist. Und die gibt es ja auch, wenn man ein bisschen sucht: Wüllen war ja immer so ein Beispiel. Es hieß, da gehe gar nichts voran. Da haben wir aber inzwischen die neue Feuerwehr. Da ist die Turnhalle fertig gebaut. Und da ist der Dorfplatz. Es ist also, wenn man offen guckt, auch einiges fertig geworden.

Machen Sie sich Sorgen vor anderen Kandidaten?

Nein. Das heißt aber nicht, dass ich sicher bin, gewählt zu werden. Ich meine das ernst: Ich mache der Stadt ein Angebot. Wenn es jemand anderes werden soll, wünsche ich dieser Stadt alles Gute. Und dass derjenige es vielleicht auch besser machen kann als ich. Ich verliere nicht gerne. Aber ich bin da sehr bei der Sache und komme gut damit klar, was auch immer passiert.

Karola Voß ist 61, verheiratet, hat zwei Kinder und vier Enkel. Sie ist parteilos und seit 2015 Bürgermeisterin von Ahaus. Sie lebt in Quantwick.

Das Interview mit Karola Voß haben wir am 14. Juni 2024 veröffentlicht.