Chronische Wunden, die auch nach Wochen nicht abheilen, werden ein größeres Problem: Diabetes, Durchblutungsstörungen, ein geschwächtes Immunsystem sind nur eine kleine Auswahl an Ursachen. „Dazu kommen der demografische Wandel, falsche Ernährung und zu wenig Bewegung“, sagt Nicole Wern. Die 48-Jährige gründet gerade zusammen mit ihrem Geschäftspartner Ralf Rottmann (48) das Wundzentrum Ahaus. In den ehemaligen Praxisräumen des Hausarztes Paul Lévi wollen sie spezielle Wundversorgung bieten.
500 bis 600 Betroffene soll es in Ahaus und Umgebung geben. „Grob geschätzt“, sagt Nicole Wern. Bundesweit seien es 1,4 Millionen bestätigte Fälle mit einer viel höheren Dunkelziffer. Entsprechend heruntergerechnet ergebe sich die mögliche Zielgruppe für das neue Wundzentrum. Insgesamt vier Pflegende sollen sich dort um die chronischen Wunden der Patienten kümmern.

Und so eine Lücke im System schließen: „Wir wollen keine Konkurrenz sein, sondern zwischen Pflegedienst, Arzt, Podologie und stationären Einrichtungen eine Lücke schließen“, erklärt Ralf Rottmann. Ein chronischer Wundpatient falle nicht selten durchs Raster. Es gebe Menschen, die würden 14 Jahre mit einem offenen Bein herumlaufen. Ohne Aussicht auf Besserung. Zwar würden sie wieder und wieder im Krankenhaus aufgenommen, eine langfristige Versorgung oder gar Heilung trete dann aber spätestens bei der Entlassung in weite Ferne.
Ralf Rottmann und Nicole Wern gehe es aber nicht nur darum, eine Lücke zu schließen, sondern um den ganzheitlichen Ansatz und die Qualität in der Versorgung. Dazu gehöre eine umfassende Anamnese und die enge Absprache mit dem behandelnden Haus- oder Facharzt. Ohnehin könne ein Patient erst mit einer entsprechenden Überweisung zu ihnen kommen.
In der Netzwerkarbeit haben beide lange Erfahrung. Zusammen führen sie den Ärztedienst Scharf in Rosendahl: Sie unter anderem als Wundexpertin und Fachtherapeutin Wunde, er als ehemaliger Krankenpfleger und kaufmännischer Leiter.
Die Räume in Ahaus seien ideal. Zum einen, weil es sich eben um eine Arztpraxis handele und sie die Räume nach einer kurzen Renovierung eins zu eins nutzen könnten. Gleichzeitig eben auch, weil Ahaus sich für ein Zentrum ideal eigne. Etwas Vergleichbares gebe es im ganzen Umkreis nicht. „Wir wissen von einem Wundzentrum in Wesel“, sagt Nicole Wern. So weite Wege können und wollen Patienten natürlich nicht auf sich nehmen. Schließlich würden tägliche Verbandwechsel oder Wundreinigungen zur Therapie gehören.
Für den langjährigen Hausarzt Dr. Paul Lévi ist es erst einmal schön, dass in seinen Praxisräumen weiterhin eine medizinische Einrichtung tätig bleibt. Jahrelang hatte er ergebnislos nach jemandem gesucht, der seine Praxis fortführen möchte. „Auch wenn die Zahl der Ärzte wieder leicht steigt, die Zahl der Praxen sinkt“, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Ein Trend, mit dem man sich wohl abfinden müsse.
Umso zufriedener ist er damit, dass eine medizinische Einrichtung in den Räumen an der Von-Heydn-Straße zieht. Zumindest vorerst. „Der Vertrag läuft erst einmal über drei Jahre“, sagt Paul Lévi. Danach müsse man weitersehen. Die Behandlung chronischer Wunden sei in dieser Form in Ahaus und Umgebung auf jeden Fall noch eine Marktlücke. Ahaus als zentraler Ort eigne sich ideal als Standort, erklärt er.
Ende März erfolgt die Übergabe der Räume. Für Paul Lévi steht dann der Schritt in den Ruhestand an. Das Wundzentrum soll dann zum 1. Mai starten.