15-Jährige von Gleichaltrigen geschlagen und getreten „Oft träume ich nachts davon“

15-Jährige von Gleichaltrigen schwer verletzt: „Oft träume ich davon“
Lesezeit

Es ist Freitag, 8. Mai. Arglos folgt eine 15-Jährige am Nachmittag einer Bekannten in den Schlossgarten. Und wird Opfer brutalster Gewalt. Von Gleichaltrigen. Noch heute, einen Monat später, kann die 15-jährige Janine nur schwer über das reden, was ihr am 8. Mai geschehen ist. Seitdem ist sie krankgeschrieben, verlässt ihr Zuhause nur noch in Begleitung, wird psychologisch betreut. Auch ihre vier Geschwister, die gesamte Familie, befindet sich seitdem im Ausnahmezustand. Seitdem? Was aber ist an diesem Tag so Ungeheuerliches passiert?

Um das Ende vorwegzunehmen: Janine wird von Mädchen und Jungen ihres Alters geschlagen, getreten, misshandelt. Erst als sie sich bewusstlos stellt, hätten die Angreifer von ihr abgelassen, sagt sie. Ein Ehepaar trifft auf die Schwerverletzte, informiert die Polizei, ruft den Rettungsdienst. In dessen Einsatzprotokoll finden sich deutliche Hinweise auf das, was passiert ist. Mit Rücksicht auf die Beteiligten wurden in diesem Artikel alle Namen geändert.

Szenen von Gewalt im Kopf

Einige Auszüge aus dem Einsatzprotokoll: „...wurde von mehreren Personen geschlagen, getreten und eine Zigarette auf dem Kopf ausgedrückt... Hinterkopf mit Beule aufgrund von Tritt, Nase, leichte Blutablagerungen. Hämatom unter dem rechten Auge...“ Vor Ort wird sie erstversorgt und dann ins Krankenhaus zur weiteren Untersuchung und Betreuung gebracht. Da der Vater einen medizinischen Beruf hat, darf sie nach einigen Stunden und ambulanter Behandlung nach Hause.

Immer wieder sind es diese Szenen, dieser Ausbruch von Gewalt, dessen Opfer sie wurde, die in ihrem Kopf auftauchen: „Oft träume ich nachts davon, wache schweißgebadet auf.“ Eine Antwort auf ihre Frage „Warum?“ hat sie bislang aber nicht gefunden.

Die große Frage „Warum?“

Janine kennt die Angreiferinnen, die beteiligten Jungen allerdings nicht. Mit dem einen Mädchen war sie mal befreundet, auch dessen Schwester, und auch die andere Beteiligte sind ihr wohl bekannt. Und sie erzählt auch von der Vorgeschichte, von verbalen Verletzungen und körperlichen Attacken wie an den Haaren ziehen auf dem Hof der Overbergschule. Einen Hinweis, dass sich das weiter hochschaukeln könnte, habe sie aber dennoch nicht entdeckt.

Die einzige Erklärung, die sie als Auslöser für die Eskalation vermutet: „Ich bin immer sehr direkt, spreche aus, was ich denke. Wenn jemand fett ist, dann sage ich das auch.“

Nur eines von mehreren Fotos der verletzten Janine. Nicht alle sind aber für die Öffentlichkeit bestimmt.
Nur eines von mehreren Fotos der verletzten Janine. Nicht alle sind aber für die Öffentlichkeit bestimmt. © Privat

Zurück zum Tattag und ihren Schilderungen, wie sich alles abgespielt hat. „Ich war auf dem Weg zum Rathaus, um für meine Oma Biomülltüten zu besorgen, als ich von Alexa (*Name geändert) aufgefordert wurde, in den Schlossgarten zu kommen, wo jemand auf mich warte.“

Dann überstürzten sich die Ereignisse. Von der Schwester ihrer ehemaligen Freundin und deren Freunden sei sie umkreist worden und als erstes gefragt worden, warum sie ihre Schwester beleidigt habe. Als Janine nicht verstanden habe, was damit gemeint sei und gehen wollte, sei es dann zu verschiedensten Formen von körperlicher Gewalt gegen sie gekommen.

„Sie haben mich an den Haaren ins Gestrüpp gezogen und auf mich eingeschlagen sowie mehrere Male in Gesicht und Oberkörper getreten.“ Ihr sei mit einer Magnetlampe ins Gesicht geschlagen, das Handy geraubt, eine brennende Zigarette auf dem Kopf ausgedrückt worden. Auch wenn sie zwischendurch überlegt habe, zurückzuschlagen, tat sie es nicht. „Dann wäre ich ja mit im gleichen Boot“, sagt sie.

„Bewusstlosigkeit“ als Rettung

Nach weiteren Tritten und Schlägen habe sie sich stattdessen bewusstlos gestellt und dann einen Jungen sagen gehört: „Sie ist tot, wir können gehen.“ Ihre Eltern sind fassungslos, als sie den Bericht ihrer Tochter erneut anhören: „Die haben sogar Janines Tod billigend in Kauf genommen.“ Sie alle warten jetzt auf die juristische Aufarbeitung und: „Wir hoffen sehr, dass die Täter(innen) eine deutliche Strafe bekommen, damit sie so etwas niemals wieder mit anderen Mädchen machen.“

Während die Polizei nach Informationen von Thorsten Ohm, Sprecher der Kreispolizeibehörde Borken, weiter „intensiv ermittelt“ und die Ermittlungsergebnisse dann anschließend der Staatsanwaltschaft übergibt, hat es eine erste gerichtliche Entscheidung bereits gegeben.

Richterliches Annäherungsverbot

Das Amtsgericht Ahaus (Familiengericht) hat am 9. Mai per Beschluss eine „einstweilige Anordnung“ gegen drei der beschuldigten Mädchen erlassen. Denen wird verboten, die Antragstellerin zu bedrohen, zu verletzen, oder sonst körperlich zu misshandeln; sich der Wohnung der Antragstellerin weniger als 20 und der Antragstellerin weniger als 5 Meter zu nähern; ihr aufzulauern, mit ihr Kontakt aufzunehmen, ein Zusammentreffen herbeizuführen. Bei Verstößen droht ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 Euro. Befristet ist die Anordnung bis zum 9. November dieses Jahres.

Auch wenn klar ist, dass das nicht das juristische Ende ist, Janine von ihren Eltern und Geschwistern liebevoll aufgefangen, sie professionell betreut wird und auch die Wunden verheilt sind, die emotionalen aber bleiben. Bei der gesamten Familie. Die hat sich daher für einen kompletten Cut und einen Neuanfang entschieden - weit weg von Ahaus.

Streit unter Jugendlichen eskaliert: Polizei und Krankenwagen am Schlossgarten in Ahaus